Begegnungen und Gemeinschaftsorte in Klein- und Mittelstädten

Factsheet #2 | 2025

Soziale Begegnungen und die Verfügbarkeit von Gemeinschaftsorten können das Zusammenleben und Integrationsprozesse beeinflussen.
Um Begegnungen zu ermöglichen braucht es unterschiedliche Orte der Zusammenkunft. Klein- und Mittelstädte stehen dabei vor besonderen Herausforderungen.

Handlungsimpulse

Ambivalenzen von Begegnungen bedenken

Begegnungen im Alltag können spontan oder geplant erfolgen und eine große Bandbreite unterschiedlicher Formen annehmen. Sie reichen vom gegenseitigen Wahrnehmen, über das Grüßen, Wiedererkennen, miteinander sprechen bis hin zu gemeinsamen Aktivitäten. Begegnungen können zum gegenseitigen Kennenlernen und dem Vertrauen zwischen Zugewanderten und Alt-eingesessenen beitragen, sie helfen Vorurteile abzubauen, können aber auch Konflikte hervorrufen. Die Wirkungen von Begegnungen sind also vielfältig und ambivalent.

Bedingungen für Begegnungen schaffen

Öffentliche Räume sind Orte und Schauplatz sozialer Begegnungen. Sie können für die Konstitution gemeinschaftlichen Zusammenlebens in der Einwanderungsgesellschaft von großer Bedeutung sein. Daher sollten bei der Planung öffentlicher Räume Faktoren wie Zugänglichkeit, Größe, (gefühlte) Sicherheit und Nutzungsvielfalt berücksichtigt werden.
Besonders Kleinstädten mangelt es oft an attraktiven öffentlichen Räumen, die spontane Begegnungen und den Aufenthalt fördern. Häufig wird der Zugang zu gemeinschaftlichen Orten wie Vereinshäusern oder Begegnungszentren durch mangelnde Erreichbarkeit, etwa durch schlechten ÖPNV zusätzlich erschwert.  Zur Förderung des sozialen Zusammenlebens, sollten Orte der Zusammenkunft, ihre Erreichbarkeit und Nutzungsvielfalt daher gestärkt werden.

Orte der Zusammenkunft stärken

Öffentliche Räume, soziale Einrichtungen und Orte der Geselligkeit bieten Gelegenheit für qualitätvolle Begegnung. So finden Austausch und Interaktionen zwischen bisher unbekannten Menschen häufig an Orten statt, die aufgrund eines gemeinsamen Interesses oder geteilter Notwendigkeit genutzt werden wie z. B. Bibliotheken, Schulen, Kindergärten oder auch Cafés. Auch der Arbeitsplatz oder ehrenamtliches Engagement bieten Gelegenheiten für Begegnungen. Diese Orte sind von hoher Bedeutung für das soziale Zusammenleben. Sie sollten räumlich, finanziell sowie professionell durch Angebote und Moderation gestärkt werden.

Hintergrund

Schwindende Kontaktmöglichkeiten

Wenn ich hier [im Café der Geflüchtetenunterstützung] jemanden treffe, kann man Kontakt haben. Aber einfach auf der Straße andere kennenlernen, das passiert nicht so viel.“ (Geflüchteter, 30-35 Jahre aus Eritrea)
Die „Kontakthypothese“ nach Allport (1954) besagt, dass gruppenbezogene Vorurteile durch persönlichen Kontakt abgebaut werden können. Für diesen Kontakt braucht es Orte und Gelegenheiten der Begegnung. In Klein– und Mittelstädten wirken sich mangelnde Finanzierung und sozialer Wandel auf die Ausdünnung von Dienstleistungs– und Versorgungsangeboten sowie auf die Funktionalität tradierter Orte sozialer Zusammenkunft besonders stark aus. Dadurch werden Kontaktsituationen zwischen Geflüchteten und der Alt-eingesessenen Bevölkerung eingeschränkt. Dies kann sich nachteilig auf die individuellen Einstellungen gegenüber Zuwanderung und die Möglichkeiten sozialer Teilhabe auswirken.

Zugänglichkeit zu Orten der Gemeinschaft

Alltägliche Begegnungen können lose Kontakte festigen und Gefühle sozialer Einbettung stärken. Insbesondere lokale Vereine, Cafés oder soziale Einrichtungen sind Orte, an denen diese wertvollen Begegnungen stattfinden. Hier können wichtige Anknüpfungspunkte für Zugewanderte entstehen und Brücken zur ansässigen Bevölkerung gebaut werden. Zugewanderte in Klein– und Mittelstädten berichteten jedoch häufig von einer wahrgenommenen Reserviertheit der lokalen Bevölkerung. Diese kann übliche Barrieren wie fehlende Kenntnisse der Sprache und impliziter, chiffrierter Normen des sozialen Zusammenlebens beim Zugang zu Orten der Gemeinschaft zusätzlich erschweren.

Begegnungen zwischen und innerhalb sozialer Gruppen

Die Perspektive auf Begegnungen sollten nicht nur auf den Austausch zwischen Zugewanderten und Alteingesessenen reduziert werden. Auch innerhalb einzelner Communities sind Begegnungen für den Integrationsprozess, z. B. zur Bildung von Netzwerken, den Austausch von Informationen oder für Prozesse der Meinungsbildung, von hoher Relevanz.

 

Unterschiedliche Orte ermöglichen unterschiedliche Formen des Kontakts

Tabelle der unterschiedlichen Räume und Kontaktmöglichkeiten

Das Factsheet ‚Begegnung und Gemeinschaftsorte in Klein- und Mittelstädten‘ von Johannes Glöckner ist in der Reihe Forschung:Praktisch der Professur für Humangeographie mit dem Schwerpunkt Europäische Migrationsforschung der TU Chemnitz unter der offenen Lizenz CC BY-ND 4.0 veröffentlicht.
Das kostenlose PDF kann hier heruntergeladen werden: #2 Forschungpraktisch-Begegnung
Die Forschung hinter den Empfehlungen
Seit 2016 arbeitet das Team um Prof. Dr. Birgit Glorius zu Ankunftsprozessen von Geflüchteten, insbesondere abseits der Großstädte.
In dieser Factsheet-Reihe führen wir Erkenntnisse, die wir in verschiedenen Forschungsprojekten zu den Themen Flucht& Ankommen gesammelt haben in übersichtlicher Weise zusammen. Die Ergebnisse sind handlungsorientiert zusammengefasst und bieten vielfältige Anknüpfungspunkte für Praktiker:innen, etwa Personen aus der (Lokal)Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft.
Unsere Forschungsmethoden umfassen qualitative Methoden wie Interviews, Beobachtungen, Fokusgruppendiskussionen und Mappings, sowie quantitative Umfragen.
Detaillierte Informationen über die einzelnen Forschungsprojekte und Forschungsmethoden finden Sie hier auf der Website unserer Professur.
Literatur: Allport, G. W. (1954). The nature of prejudice. Cambridge: Addison-Wesley.
Bildnachweis: © Lawrence Chismorie auf Unsplash
Impressum: Technische Universität Chemnitz, Professur für Humangeographie mit dem Schwerpunkt europäische Migrationsforschung
Autor: Johannes Glöckner.
Chemnitz, Januar 2025.
Zitiervorschlag: Glöckner, Johannes (Januar 2025): Begegnungen und Gemeinschaftsorte in Klein- und Mittelstädten. Fact Sheet-Reihe Forschung:Praktisch 2|2025. Technische Universität Chemnitz, Chemnitz. https://doi.org/10.59350/5hzfk-6yf87

 

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert