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  • „Resiliente Kommunen 2.0“: Migration als Chance verstehen

    Deutschland ist ein Einwanderungsland und profitiert von Zuwanderung. Kommunen kommt eine zentrale Rolle als „Orte des Ankommens“ zu. Doch wie können sie dieser Rolle nachkommen, wenn politische wie finanzielle Rahmenbedingungen und ein negativer, gesellschaftlicher Diskurs einem vor Ort positiven Klima für Ankommen und Verwurzelung entgegenstehen? Angesichts schwieriger Rahmenbedingungen beleuchten wir hier hinderliche Faktoren auf dem Weg zu kommunaler Resilienz, die allgemein als „die Fähigkeit eines Systems, zentrale Funktionen in Krisenmomenten aufrechtzuerhalten“, definiert wird. Als resilient können demzufolge Kommunen gelten, die es schaffen, nachhaltige, ganzheitliche und gleichzeitig flexibel gestaltete Angebote vor Ort zu schaffen.

    Handlungsimpulse

    Langfristige finanzielle Unterstützung von Bund und Ländern

    Kommunen spielen eine wichtige Rolle in der Ausgestaltung der Integrationsbedingungen vor Ort. Dafür brauchen sie zuverlässige, dauerhafte finanzielle Unterstützung von Bund und den Ländern, unter anderem um zuverlässige, niedrigschwellige Beratungs- und Begegnungsangebote zu erhalten, und diese flexibel an sich verändernden Zielgruppen anpassen zu können. Dabei sollten die Bedarfe der Ankommenden zentraler in den Fokus von Politik und praktischer Ausgestaltung vor Ort rücken (können).

    Wir sind von allen Seiten Druck ausgesetzt. Diesen auszuhalten und gerecht zu werden raubt Kraft, Nerven und Arbeitszeit, die woanders besser eingesetzt wäre.

    Integrationsbeauftragte*r aus Sachsen

     Hinwendung zu einem positiven Integrationsdiskurs

    Zugewanderte fühlen sich oft in ihren Interessen und Gestaltungswillen nicht gesehen und wollen vor Ort stärker einbezogen werden. Dafür braucht es eine Öffnung des (gesellschaftlichen und politischen) Gesprächsraumes hin zu einer differenzierteren und realistischen Kommunikation über Zuwanderung und Ankommen in Deutschland. Dabei sollten Gelingensbedingungen und positive Erfahrungen stärker thematisiert werden, anstelle des derzeitigen Klimas der Polarisierung und Verunsicherung, welches Migrant:innen oft in vereinfachender, negativer Weise pauschalisiert.

    Strategische Vernetzung der Kommunen unter– und miteinander

    Zusammenarbeit kann als zentrales Mittel im Umgang mit (subtilen) systemischen Widerständen gesehen werden. Kommunen sollten sich deswegen innerhalb ihrer Verwaltungen stärker untereinander und mit weiteren Akteur:innen vernetzen, um Allianzen zu schmieden und Potentiale weiter auszuschöpfen. Die so geschaffene „community of pratice“ schafft Rückhalt unter Gleichgesinnten und kann als Impulsgeber:in zum Begegnen aktueller Herausforderungen dienen.

    Es geht oft auch darum, unsere Arbeit aufzubereiten und gegenüber der eigenen Verwaltung gebetsmühlenartig runter zu beten, damit wir Gehör finden.

    Integrationsbeauftragte*r aus Nordrhein-Westfalen

    Hintergrund

    Der Raum für Integrationsarbeit verengt sich

    Migration ist und bleibt ein gesellschaftlich polarisierendes Thema. Emotional aufgeladen und wenig faktenbasiert werden Ursachen und Wirkung von Zuwanderung oft vereinfachend und selektiv als Bedrohung und Problem dargestellt. Der in der Öffentlichkeit entstehende Eindruck ist seit Jahren der einer schwer zu bewältigenden Krise.

    Kommunen stehen im Spannungsfeld zwischen den gesetzten Rahmenbedingungen der Bundespolitik und der Aufgabe, Integration bedarfsgerecht für die ankommenden Menschen zu gestalten. Durch solche Abhängigkeiten sind lokale Verwaltungen in ihrem Gestaltungsspielraum beschränkt. Auch das politische Klima spielt dabei eine Rolle. Besonders seit der letzten Bundestagswahl im Februar 2025 herrscht große Unsicherheit, wie sich die Ergebnisse auf die Kommunalarbeit auswirken werden. So verschob sich beispielsweise teils die Parteienlandschaft in lokalen Entscheidungsgremien zum rechten Spektrum. Im Kontext dieser Situation scheint Resilienz notwendig, aber nur eingeschränkt möglich.

    Ankommen vor Ort gestalten

    Teil der Einschränkungen in Kommunen ist die unterfinanzierte Infrastruktur der öffentlichen Daseinsvorsorge, bspw. Wohnungsknappheit, fehlende Kitaplätze, und besonders im ländlichen Raum eingeschränkter Zugang zu Bildung und Ärzten, sowie ein unzureichend ausgebauter öffentlicher Nahverkehr. Migration fungiert hier als Brennglas und weist auf diese Missstände hin. Wenn Ressourcen vor Ort schwinden, die Aufgaben aber bestehen bleiben (oder gar mehr werden), erzeugt das bei manchen den Eindruck, es reiche nicht für alle. Das schürt Ängste und kann populistisch genutzt werden. So entsteht Rechtfertigungs- und Erfolgsdruck lokaler Integrationsarbeit. Positive Beispiele von Ankommen und eine wohlvollende Berichterstattung über Integration sind dabei schwer zu platzieren. Ebenso sind niedrigschwellige Angebote, wie Interkulturelle Wochen o.ä. im Kontext vom starken Arbeitsmarktfokus von Landes- und Bundesprogrammen immer schwerer zu finanzieren. Das alles schränkt die Schaffung resilienter, also belastbarer und langfristiger Integrationsangebote vor Ort ein.

    Trotz der angespannten Situation stellt sich die Frage: Wie können wir unsere Kommunen attraktiv für Ankommende gestalten? Oft fehlt Programmen und Politiken eine migrantische Perspektive, sodass diese teils an der Lebensrealität vorbeigehen.

    Aus der Forschung wissen wir, dass positive Erlebnisse im Moment der Ankunft und der ersten Zeit, sowie Kontakte zur ansässigen Bevölkerung wichtig sind. Eine offene Haltung der Ansässigen und Begegnungen tragen positiv zur Integration bei. Für Ankommende sind vor allem diese Kontakte als Ressource wichtig, um an wichtige Informationen zu kommen, aber auch um sich als Teil der Gesellschaft zu fühlen. Niedrigschwellige Zugänge zu Nachbarschaftszentren, Geschäften, oder Parks sind ebenso zentral, da sie Gefühle der Zugehörigkeit und des Angekommen-Seins fördern. Ist das nicht gegeben, ziehen viele Menschen auch weiter. Zugänge zu sozialen Dienstleistungen oder zum Arbeitsmarkt, häufig wichtig für die Integration, und an welchen der Integrationserfolg gemessen wird, sind kein Garant.

    Um der damit entstehenden Gratwanderung zwischen strukturellen Rahmenbedingungen des Bundes und Bedarfen vor Ort gerecht zu werden, bedienen sich Integrationsbeauftragte verschiedenster Strategien. Beim Beantragen von Fördermitteln kann der Mehrwert von Zuwanderung für die Aufnahmegesellschaft in den Vordergrund gestellt werden. Auch die strategische Vernetzung mit Partner:innen aus anderen Kommunalverwaltungen oder der Zivilgesellschaft, auf fachlicher Ebene jenseits des politischen Geschehens, hat sich bewährt. Gleichzeitig ist es notwendig, die Grenzen des eigenen, kommunalen Handelns zu akzeptieren, um selbst nicht auszubrennen, und den Herausforderungen tagtäglich aufs Neue begegnen zu können.

    Das Factsheet ‚Resiliente Kommunen 2.0: Migration als Chance verstehen‘ von Nora Ratzmann, Felicitas Rißler und Denis Zeković ist in der Reihe Forschung:Praktisch der Professur für Humangeographie mit dem Schwerpunkt Europäische Migrationsforschung der TU Chemnitz unter der offenen Lizenz CC BY-ND 4.0 veröffentlicht.
    Das kostenlose PDF kann hier heruntergeladen werden:#5 Forschungpraktisch-Resiliente Kommunen 2.0
    Die Forschung hinter den Empfehlungen
    Seit 2023 arbeitet die Abteilung Integration am Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung, DeZIM, mit ausgewählten Kommunen in Deutschland an den Gelingensbedingungen für eine bedarfsgerechte Integrationsarbeit vor Ort. Das partizipative Forschungsdesign umfasst qualitative Methoden wie Interviews und Beobachtungen. In Kooperation mit dem Lehrstuhl von Prof. Dr. Birgit Glorius führte das Team von Dr. Nora Ratzmann im Jahr 2025 drei Online-Dialogformate mit Vertreter:innen der kommunalen Integrationsarbeit aus 12 Kommunen durch. Dazu trafen sich Migrationsforschende und Verwaltungsmitarbeitende im März, Mai und Juni zu jeweils einem Workshoptermin, der an zwei aufeinanderfolgenden Tagen für zwei Stunden stattfand. Zivilgesellschaftliche Initiativen und Vertreter:innen aus der Wissenschaft gaben dabei Einblicke in verschiedene Fragen rund um Migration und Integration auf Kommunalebene. Im Vordergrund der Workshop-Reihe stand die Vernetzung und der fachliche Austausch der Kommunen.
     
    Detaillierte Informationen über die einzelnen Forschungsprojekte und Forschungsmethoden finden Sie hier auf der  Website unserer Professur.
    Impressum: Technische Universität Chemnitz, Professur für Humangeographie mit dem Schwerpunkt europäische Migrationsforschung
    Autor*in: Nora Ratzmann, Felicitas Rißler, Denis Zekovic
    Chemnitz, November 2025.
    Zitiervorschlag: Ratzmann, N., Rißler, F., Zeković, D. (2025): „Resiliente Kommunen 2.0“: Migration als Chance verstehen. Forschung:Praktisch. Flucht & Ankommen. 05|2025. Chemnitz: Technische Universität Chemnitz.
  • Integrationschampions: Die Rolle von Einzelnen im lokalen Umgang mit Ankommen und Integration

    Bei der Betrachtung von Migration, Ankommen und Integration spricht man oft von Strukturen. Blickt man auf diese Prozesse vor Ort und wie sie sich gestalten, so fällt auf, dass einzelne Personen viel bewegen können. Strukturen, besonders in ländlichen Gebieten, sind oftmals Netzwerke aus besonders motivierten Personen, die sich dafür einsetzen, dass Ankommen und Integration vor Ort funktionieren. Dabei kann man von Champions der Integration sprechen, wobei der Begriff weniger auf den „Sieg“ über das Thema, sondern mehr die Vorzeigewirkung abzielt.

    Handlungsimpulse

    Integrationschampions als Netzwerker*innen

    Die Wirkung von Einzelnen in der lokalen Arbeit ist nicht zu unterschätzen. Ob aus der Verwaltung oder aus dem Ehrenamt, Einzelpersonen können helfen, strukturelle Kooperationshürden/-hemmnisse abzubauen und weitreichende Zusammenarbeit anzustoßen. Dabei kommt Ihnen oft eine Vernetzungs- bzw. Koordinationsfunktion zu. Außerdem wirken sie als Vorbild- und Orientierungsfigur für andere. An sie kann man sich wenden und ihnen wird Gehör geschenkt. Zwar kann lokale Arbeit nicht nur durch Einzelpersonen gestemmt werden, doch über sie wird es möglich, eine Vielzahl von Akteuren an einen Tisch zu bringen.

    „Netzwerken ist Arbeit. Wir suchen ständig den Austausch, um Probleme identifizieren und evtl. direkt lösen zu können. […] Dabei kommt es stark auf die zeitlichen Ressourcen von allen Beteiligten an. Dennoch suchen wir den Austausch mit Organisationen und Engagierten, um auch Parallelstrukturen zu vermeiden.“

    Verwaltung, Halle (Saale)

    Integrationschampions im Kontext sehen

    Integrationschampions sind allerdings keine Einzelkämper*innen. Man muss einzelne Engagierte — Haupt-und Ehrenamtliche — immer im lokale Akteursnetzwerk sehen. Gibt es relativ schwach ausgeprägte Verwaltungsstrukturen, die sich Neuankommenden annehmen, können Ehrenamtliche diese Lücke füllen. Die entstehenden Strukturen sind oftmals informell und fußen auf weitreichendem Engagement. Das kann man bei Sprachcafés sehen, die zum großen Teil ehrenamtlich organsiert sind. Über solche Aktivitäten, die oft auf direkte Hilfe abzielen, entstehen informelle Netzwerke. Ältere Engagierte, oft Renter*innen, sind häufig die treibende Kraft hinter solchen Angeboten. Dabei sind solche Strukturen äußerst prekär. Hören zentrale Figuren in informellen Netzwerken auf, droht oft der Zusammenbruch der Zusammenarbeit. Das sieht man am Beispiel der Corona-Pandemie. Hier zogen sich viele Ehrenamtliche zurück bzw. wurden an ihrem Engagement gehindert. Damit brachen in den Jahren der Pandemie viele Netzwerke zusammen und wurden in der Zeit danach nicht oder nur mit enormem Aufwand wiederbelebt. Denselben Effekt hat ein scharf geführter, politischer Diskurs. Dadurch wird das Engagement im Bereich Migration an den Pranger gestellt. Viele Ehrenamtliche ziehen sich dann zurück, da sie sich im privaten Umfeld Kritik ausgesetzt sehen.

    „Corona hat viele Netzwerke einschlafen lassen, die wir jetzt mühsam wieder aufbauen müssen.“

    Verwaltung, Ingelheim am Rhein

    Die Grenzen von individuellem Engagement

    Vor diesem Hintergrund kann man festhalten, dass  das Engagement Einzelner nur zu einem gewissen Grad Kooperation vorantreiben kann. Zweifelsohne braucht es Personen, bei denen die Fäden zusammenlaufen, doch fallen sie aus, kommt oft auch die Kooperation zum Erliegen. Es stellt sich damit die Frage, ob man die Funktion von Champions verankern und sie mit Ressourcen ausstatten kann. Außerdem ist zu klären, inwiefern lokale Vernetzung resilienter gegenüber Stellenwechseln oder dem Wegfallen von Ehrenamtlichen sein können, indem man bspw. Austauschtreffen anstößt und diese dann selbstständig weiterführen lässt.

    Hintergrund

    Integrationschampions kommen aus dem Haupt– und und aus dem Ehrenamt

    Bei der Frage, wer als Integrationschampion gelten kann, schlagen wir vor, sie als herausgehobene Personen vor Ort zu begreifen, die Prozesse anstoßen und Orientierung bieten. In der Verwaltung ist es oftmals die*der Integrationsbeauftragte. Dieser Position kommt eine Vernetzungsfunktion zu. Champions müssen aber nicht zwangsläufig aus der Verwaltung kommen. Gerade in kleineren Gemeinden und in ländlichen Gebieten erfüllt das Ehrenamt eine wichtige Rolle im Ankommensprozess. Engagierte suchen oft untereinander den Austausch und vernetzen sich somit im Zuge ihres Engagements automatisch, nicht selten auch mit der Verwaltung. Personen, die diese Vernetzung vorantreiben, werden ihrerseits dann oft zu Anlaufstellen. Das betrifft langjährige Engagierte, oder Freiwillige, die im engen Austausch mit Neuankommenden sind und dann durch Mundpropaganda unter diesen zur Anlaufstelle werden.

    Wissen als Ressource und als soziales Kapital

    Im Austausch mit anderen Akteuren fördern Integrationschampions Kooperation, es wird aber auch wertvolles Wissen über die Situation und mögliche Ressourcen geteilt, die wichtig für das Ankommen vor Ort sind. Im Grunde ballt sich bei diesen Champions das Wissen — von bürokratischen Vorgängen  bis hin zu Kontakten zu Communities. Es geht hierbei um den Wert von Wissen und die Verteilung der Informationen unter den beteiligten Akteuren im Ankommensprozess. Das gilt nicht nur für kleinere Kommunen. In größeren Städten sieht man solche Dynamiken im Stadtteil oder im Kiez.

    Abbildung 1: Ergebnisse eines Vernetzungstreffen von Migrantenselbstorganisationen im Landkreis Bautzen
     

    Champions und ihre Wirkung

    Über die Wissensvermittlung hinaus bieten Integrationschampions Orientierung. Das gilt im Stadtteil und im Alltag für ganz praktische Dinge wie den Weg zur passenden Praxis oder der Anlaufstelle beim Amt. In der Verwaltung selbst äußert sich diese Orientierung oft als Rückenwind oder „Ausstrahlung“. Gerade wenn eine Amtsleitung durch ihre Haltung und Kommunikation eine bestimmte Linie bestärkt, fühlen sich Mitarbeitende mitunter bestätigt in ihrer Arbeit. Das kann für weiterführende Maßnahmen motivieren, den offenen Umgang mit Vielfalt in der Verwaltung stärken und gegen Widrigkeiten resilient machen.

    Dabei kann man aber schwer verallgemeinern. Die Wirkung, die Einzelne entfalten können, ist immer spezifisch für den einzelnen Ort. So kann es sein, dass die örtliche Verwaltung gut vernetzt ist und viel Koordination von Aktivitäten übernimmt. Verwaltungsintern kann man hierzu feststellen, dass die Position der Integrationsabteilung in der Verwaltungshierarchie eine Rolle spielt. So ist die Integration als Unterabteilung für Diversität oder Chancengleichheit womöglich weniger sichtbar als eine Stabstelle Integration und Vielfalt, die direkt dem*der jeweiligen Oberbürgermeister*in unterstellt ist. Deshalb muss man bei der Beurteilung der Wirkung von Einzelnen immer auch das lokale Akteursnetzwerk bzw. Verwaltungsgefüge mit einbeziehen.

    Das Factsheet ‚Integrationschampions: Die Rolle von Einzelnen im lokalen Umgang mit Ankommen und Integration‘ von Denis Zekovic ist in der Reihe Forschung:Praktisch der Professur für Humangeographie mit dem Schwerpunkt Europäische Migrationsforschung der TU Chemnitz unter der offenen Lizenz CC BY-ND 4.0 veröffentlicht.
    Das kostenlose PDF kann hier heruntergeladen werden:#4 Forschungpraktisch-Integrationschampions
    Die Forschung hinter den Empfehlungen
    Seit 2016 arbeitet das Team um Prof. Dr. Birgit Glorius zu Ankunftsprozessen von Geflüchteten, insbesondere abseits der Großstädte.
    In dieser Factsheet-Reihe führen wir Erkenntnisse, die wir in verschiedenen Forschungsprojekten zu den Themen Flucht& Ankommen gesammelt haben in  übersichtlicher Weise zusammen. Die Ergebnisse sind handlungsorientiert zusammengefasst und bieten vielfältige Anknüpfungspunkte für Praktiker:innen, etwa Personen aus der (Lokal)Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft.
    Unsere Forschungsmethoden umfassen qualitative Methoden wie Interviews, Beobachtungen, Fokusgruppendiskussionen und Mappings, sowie quantitative Umfragen.
    Detaillierte Informationen über die einzelnen Forschungsprojekte und Forschungsmethoden finden Sie hier auf der  Website unserer Professur.
    Impressum: Technische Universität Chemnitz, Professur für Humangeographie mit dem Schwerpunkt europäische Migrationsforschung
    Autor*in: Denis Zekovic
    Chemnitz, Juni 2025.
    Zitiervorschlag: Zekovic, Denis (Juni 2025): Integrationschampions: Die Rolle von Einzelnen im lokalen Umgang mit Ankommen und Integration. Fact Sheet-Reihe Forschung:Praktisch 3|2025. Technische Universität Chemnitz, Chemnitz. https://doi.org/10.59350/gbx4t-hwn97

  • Begegnungen und Gemeinschaftsorte in Klein- und Mittelstädten

    Begegnungen und Gemeinschaftsorte in Klein- und Mittelstädten

    Factsheet #2 | 2025

    Soziale Begegnungen und die Verfügbarkeit von Gemeinschaftsorten können das Zusammenleben und Integrationsprozesse beeinflussen.
    Um Begegnungen zu ermöglichen braucht es unterschiedliche Orte der Zusammenkunft. Klein- und Mittelstädte stehen dabei vor besonderen Herausforderungen.

    Handlungsimpulse

    Ambivalenzen von Begegnungen bedenken

    Begegnungen im Alltag können spontan oder geplant erfolgen und eine große Bandbreite unterschiedlicher Formen annehmen. Sie reichen vom gegenseitigen Wahrnehmen, über das Grüßen, Wiedererkennen, miteinander sprechen bis hin zu gemeinsamen Aktivitäten. Begegnungen können zum gegenseitigen Kennenlernen und dem Vertrauen zwischen Zugewanderten und Alt-eingesessenen beitragen, sie helfen Vorurteile abzubauen, können aber auch Konflikte hervorrufen. Die Wirkungen von Begegnungen sind also vielfältig und ambivalent.

    Bedingungen für Begegnungen schaffen

    Öffentliche Räume sind Orte und Schauplatz sozialer Begegnungen. Sie können für die Konstitution gemeinschaftlichen Zusammenlebens in der Einwanderungsgesellschaft von großer Bedeutung sein. Daher sollten bei der Planung öffentlicher Räume Faktoren wie Zugänglichkeit, Größe, (gefühlte) Sicherheit und Nutzungsvielfalt berücksichtigt werden.
    Besonders Kleinstädten mangelt es oft an attraktiven öffentlichen Räumen, die spontane Begegnungen und den Aufenthalt fördern. Häufig wird der Zugang zu gemeinschaftlichen Orten wie Vereinshäusern oder Begegnungszentren durch mangelnde Erreichbarkeit, etwa durch schlechten ÖPNV zusätzlich erschwert.  Zur Förderung des sozialen Zusammenlebens, sollten Orte der Zusammenkunft, ihre Erreichbarkeit und Nutzungsvielfalt daher gestärkt werden.

    Orte der Zusammenkunft stärken

    Öffentliche Räume, soziale Einrichtungen und Orte der Geselligkeit bieten Gelegenheit für qualitätvolle Begegnung. So finden Austausch und Interaktionen zwischen bisher unbekannten Menschen häufig an Orten statt, die aufgrund eines gemeinsamen Interesses oder geteilter Notwendigkeit genutzt werden wie z. B. Bibliotheken, Schulen, Kindergärten oder auch Cafés. Auch der Arbeitsplatz oder ehrenamtliches Engagement bieten Gelegenheiten für Begegnungen. Diese Orte sind von hoher Bedeutung für das soziale Zusammenleben. Sie sollten räumlich, finanziell sowie professionell durch Angebote und Moderation gestärkt werden.

    Hintergrund

    Schwindende Kontaktmöglichkeiten

    Wenn ich hier [im Café der Geflüchtetenunterstützung] jemanden treffe, kann man Kontakt haben. Aber einfach auf der Straße andere kennenlernen, das passiert nicht so viel.“ (Geflüchteter, 30-35 Jahre aus Eritrea)
    Die „Kontakthypothese“ nach Allport (1954) besagt, dass gruppenbezogene Vorurteile durch persönlichen Kontakt abgebaut werden können. Für diesen Kontakt braucht es Orte und Gelegenheiten der Begegnung. In Klein– und Mittelstädten wirken sich mangelnde Finanzierung und sozialer Wandel auf die Ausdünnung von Dienstleistungs– und Versorgungsangeboten sowie auf die Funktionalität tradierter Orte sozialer Zusammenkunft besonders stark aus. Dadurch werden Kontaktsituationen zwischen Geflüchteten und der Alt-eingesessenen Bevölkerung eingeschränkt. Dies kann sich nachteilig auf die individuellen Einstellungen gegenüber Zuwanderung und die Möglichkeiten sozialer Teilhabe auswirken.

    Zugänglichkeit zu Orten der Gemeinschaft

    Alltägliche Begegnungen können lose Kontakte festigen und Gefühle sozialer Einbettung stärken. Insbesondere lokale Vereine, Cafés oder soziale Einrichtungen sind Orte, an denen diese wertvollen Begegnungen stattfinden. Hier können wichtige Anknüpfungspunkte für Zugewanderte entstehen und Brücken zur ansässigen Bevölkerung gebaut werden. Zugewanderte in Klein– und Mittelstädten berichteten jedoch häufig von einer wahrgenommenen Reserviertheit der lokalen Bevölkerung. Diese kann übliche Barrieren wie fehlende Kenntnisse der Sprache und impliziter, chiffrierter Normen des sozialen Zusammenlebens beim Zugang zu Orten der Gemeinschaft zusätzlich erschweren.

    Begegnungen zwischen und innerhalb sozialer Gruppen

    Die Perspektive auf Begegnungen sollten nicht nur auf den Austausch zwischen Zugewanderten und Alteingesessenen reduziert werden. Auch innerhalb einzelner Communities sind Begegnungen für den Integrationsprozess, z. B. zur Bildung von Netzwerken, den Austausch von Informationen oder für Prozesse der Meinungsbildung, von hoher Relevanz.

     

    Unterschiedliche Orte ermöglichen unterschiedliche Formen des Kontakts

    Tabelle der unterschiedlichen Räume und Kontaktmöglichkeiten

    Das Factsheet ‚Begegnung und Gemeinschaftsorte in Klein- und Mittelstädten‘ von Johannes Glöckner ist in der Reihe Forschung:Praktisch der Professur für Humangeographie mit dem Schwerpunkt Europäische Migrationsforschung der TU Chemnitz unter der offenen Lizenz CC BY-ND 4.0 veröffentlicht.
    Das kostenlose PDF kann hier heruntergeladen werden: #2 Forschungpraktisch-Begegnung
    Die Forschung hinter den Empfehlungen
    Seit 2016 arbeitet das Team um Prof. Dr. Birgit Glorius zu Ankunftsprozessen von Geflüchteten, insbesondere abseits der Großstädte.
    In dieser Factsheet-Reihe führen wir Erkenntnisse, die wir in verschiedenen Forschungsprojekten zu den Themen Flucht& Ankommen gesammelt haben in übersichtlicher Weise zusammen. Die Ergebnisse sind handlungsorientiert zusammengefasst und bieten vielfältige Anknüpfungspunkte für Praktiker:innen, etwa Personen aus der (Lokal)Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft.
    Unsere Forschungsmethoden umfassen qualitative Methoden wie Interviews, Beobachtungen, Fokusgruppendiskussionen und Mappings, sowie quantitative Umfragen.
    Detaillierte Informationen über die einzelnen Forschungsprojekte und Forschungsmethoden finden Sie hier auf der Website unserer Professur.
    Literatur: Allport, G. W. (1954). The nature of prejudice. Cambridge: Addison-Wesley.
    Bildnachweis: © Lawrence Chismorie auf Unsplash
    Impressum: Technische Universität Chemnitz, Professur für Humangeographie mit dem Schwerpunkt europäische Migrationsforschung
    Autor: Johannes Glöckner.
    Chemnitz, Januar 2025.
    Zitiervorschlag: Glöckner, Johannes (Januar 2025): Begegnungen und Gemeinschaftsorte in Klein- und Mittelstädten. Fact Sheet-Reihe Forschung:Praktisch 2|2025. Technische Universität Chemnitz, Chemnitz. https://doi.org/10.59350/5hzfk-6yf87