Kategorie: ForschungPraktisch

Hierunter fallen alle Beiträge zur Reihe Forschung:praktisch

  • Integrationschampions: Die Rolle von Einzelnen im lokalen Umgang mit Ankommen und Integration

    Bei der Betrachtung von Migration, Ankommen und Integration spricht man oft von Strukturen. Blickt man auf diese Prozesse vor Ort und wie sie sich gestalten, so fällt auf, dass einzelne Personen viel bewegen können. Strukturen, besonders in ländlichen Gebieten, sind oftmals Netzwerke aus besonders motivierten Personen, die sich dafür einsetzen, dass Ankommen und Integration vor Ort funktionieren. Dabei kann man von Champions der Integration sprechen, wobei der Begriff weniger auf den „Sieg“ über das Thema, sondern mehr die Vorzeigewirkung abzielt.

    Handlungsimpulse

    Integrationschampions als Netzwerker*innen

    Die Wirkung von Einzelnen in der lokalen Arbeit ist nicht zu unterschätzen. Ob aus der Verwaltung oder aus dem Ehrenamt, Einzelpersonen können helfen, strukturelle Kooperationshürden/-hemmnisse abzubauen und weitreichende Zusammenarbeit anzustoßen. Dabei kommt Ihnen oft eine Vernetzungs- bzw. Koordinationsfunktion zu. Außerdem wirken sie als Vorbild- und Orientierungsfigur für andere. An sie kann man sich wenden und ihnen wird Gehör geschenkt. Zwar kann lokale Arbeit nicht nur durch Einzelpersonen gestemmt werden, doch über sie wird es möglich, eine Vielzahl von Akteuren an einen Tisch zu bringen.

    „Netzwerken ist Arbeit. Wir suchen ständig den Austausch, um Probleme identifizieren und evtl. direkt lösen zu können. […] Dabei kommt es stark auf die zeitlichen Ressourcen von allen Beteiligten an. Dennoch suchen wir den Austausch mit Organisationen und Engagierten, um auch Parallelstrukturen zu vermeiden.“

    Verwaltung, Halle (Saale)

    Integrationschampions im Kontext sehen

    Integrationschampions sind allerdings keine Einzelkämper*innen. Man muss einzelne Engagierte — Haupt-und Ehrenamtliche — immer im lokale Akteursnetzwerk sehen. Gibt es relativ schwach ausgeprägte Verwaltungsstrukturen, die sich Neuankommenden annehmen, können Ehrenamtliche diese Lücke füllen. Die entstehenden Strukturen sind oftmals informell und fußen auf weitreichendem Engagement. Das kann man bei Sprachcafés sehen, die zum großen Teil ehrenamtlich organsiert sind. Über solche Aktivitäten, die oft auf direkte Hilfe abzielen, entstehen informelle Netzwerke. Ältere Engagierte, oft Renter*innen, sind häufig die treibende Kraft hinter solchen Angeboten. Dabei sind solche Strukturen äußerst prekär. Hören zentrale Figuren in informellen Netzwerken auf, droht oft der Zusammenbruch der Zusammenarbeit. Das sieht man am Beispiel der Corona-Pandemie. Hier zogen sich viele Ehrenamtliche zurück bzw. wurden an ihrem Engagement gehindert. Damit brachen in den Jahren der Pandemie viele Netzwerke zusammen und wurden in der Zeit danach nicht oder nur mit enormem Aufwand wiederbelebt. Denselben Effekt hat ein scharf geführter, politischer Diskurs. Dadurch wird das Engagement im Bereich Migration an den Pranger gestellt. Viele Ehrenamtliche ziehen sich dann zurück, da sie sich im privaten Umfeld Kritik ausgesetzt sehen.

    „Corona hat viele Netzwerke einschlafen lassen, die wir jetzt mühsam wieder aufbauen müssen.“

    Verwaltung, Ingelheim am Rhein

    Die Grenzen von individuellem Engagement

    Vor diesem Hintergrund kann man festhalten, dass  das Engagement Einzelner nur zu einem gewissen Grad Kooperation vorantreiben kann. Zweifelsohne braucht es Personen, bei denen die Fäden zusammenlaufen, doch fallen sie aus, kommt oft auch die Kooperation zum Erliegen. Es stellt sich damit die Frage, ob man die Funktion von Champions verankern und sie mit Ressourcen ausstatten kann. Außerdem ist zu klären, inwiefern lokale Vernetzung resilienter gegenüber Stellenwechseln oder dem Wegfallen von Ehrenamtlichen sein können, indem man bspw. Austauschtreffen anstößt und diese dann selbstständig weiterführen lässt.

    Hintergrund

    Integrationschampions kommen aus dem Haupt– und und aus dem Ehrenamt

    Bei der Frage, wer als Integrationschampion gelten kann, schlagen wir vor, sie als herausgehobene Personen vor Ort zu begreifen, die Prozesse anstoßen und Orientierung bieten. In der Verwaltung ist es oftmals die*der Integrationsbeauftragte. Dieser Position kommt eine Vernetzungsfunktion zu. Champions müssen aber nicht zwangsläufig aus der Verwaltung kommen. Gerade in kleineren Gemeinden und in ländlichen Gebieten erfüllt das Ehrenamt eine wichtige Rolle im Ankommensprozess. Engagierte suchen oft untereinander den Austausch und vernetzen sich somit im Zuge ihres Engagements automatisch, nicht selten auch mit der Verwaltung. Personen, die diese Vernetzung vorantreiben, werden ihrerseits dann oft zu Anlaufstellen. Das betrifft langjährige Engagierte, oder Freiwillige, die im engen Austausch mit Neuankommenden sind und dann durch Mundpropaganda unter diesen zur Anlaufstelle werden.

    Wissen als Ressource und als soziales Kapital

    Im Austausch mit anderen Akteuren fördern Integrationschampions Kooperation, es wird aber auch wertvolles Wissen über die Situation und mögliche Ressourcen geteilt, die wichtig für das Ankommen vor Ort sind. Im Grunde ballt sich bei diesen Champions das Wissen — von bürokratischen Vorgängen  bis hin zu Kontakten zu Communities. Es geht hierbei um den Wert von Wissen und die Verteilung der Informationen unter den beteiligten Akteuren im Ankommensprozess. Das gilt nicht nur für kleinere Kommunen. In größeren Städten sieht man solche Dynamiken im Stadtteil oder im Kiez.

    Abbildung 1: Ergebnisse eines Vernetzungstreffen von Migrantenselbstorganisationen im Landkreis Bautzen
     

    Champions und ihre Wirkung

    Über die Wissensvermittlung hinaus bieten Integrationschampions Orientierung. Das gilt im Stadtteil und im Alltag für ganz praktische Dinge wie den Weg zur passenden Praxis oder der Anlaufstelle beim Amt. In der Verwaltung selbst äußert sich diese Orientierung oft als Rückenwind oder „Ausstrahlung“. Gerade wenn eine Amtsleitung durch ihre Haltung und Kommunikation eine bestimmte Linie bestärkt, fühlen sich Mitarbeitende mitunter bestätigt in ihrer Arbeit. Das kann für weiterführende Maßnahmen motivieren, den offenen Umgang mit Vielfalt in der Verwaltung stärken und gegen Widrigkeiten resilient machen.

    Dabei kann man aber schwer verallgemeinern. Die Wirkung, die Einzelne entfalten können, ist immer spezifisch für den einzelnen Ort. So kann es sein, dass die örtliche Verwaltung gut vernetzt ist und viel Koordination von Aktivitäten übernimmt. Verwaltungsintern kann man hierzu feststellen, dass die Position der Integrationsabteilung in der Verwaltungshierarchie eine Rolle spielt. So ist die Integration als Unterabteilung für Diversität oder Chancengleichheit womöglich weniger sichtbar als eine Stabstelle Integration und Vielfalt, die direkt dem*der jeweiligen Oberbürgermeister*in unterstellt ist. Deshalb muss man bei der Beurteilung der Wirkung von Einzelnen immer auch das lokale Akteursnetzwerk bzw. Verwaltungsgefüge mit einbeziehen.

    Das Factsheet ‚Integrationschampions: Die Rolle von Einzelnen im lokalen Umgang mit Ankommen und Integration‘ von Denis Zekovic ist in der Reihe Forschung:Praktisch der Professur für Humangeographie mit dem Schwerpunkt Europäische Migrationsforschung der TU Chemnitz unter der offenen Lizenz CC BY-ND 4.0 veröffentlicht.
    Das kostenlose PDF kann hier heruntergeladen werden:#4 Forschungpraktisch-Integrationschampions
    Die Forschung hinter den Empfehlungen
    Seit 2016 arbeitet das Team um Prof. Dr. Birgit Glorius zu Ankunftsprozessen von Geflüchteten, insbesondere abseits der Großstädte.
    In dieser Factsheet-Reihe führen wir Erkenntnisse, die wir in verschiedenen Forschungsprojekten zu den Themen Flucht& Ankommen gesammelt haben in  übersichtlicher Weise zusammen. Die Ergebnisse sind handlungsorientiert zusammengefasst und bieten vielfältige Anknüpfungspunkte für Praktiker:innen, etwa Personen aus der (Lokal)Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft.
    Unsere Forschungsmethoden umfassen qualitative Methoden wie Interviews, Beobachtungen, Fokusgruppendiskussionen und Mappings, sowie quantitative Umfragen.
    Detaillierte Informationen über die einzelnen Forschungsprojekte und Forschungsmethoden finden Sie hier auf der  Website unserer Professur.
    Impressum: Technische Universität Chemnitz, Professur für Humangeographie mit dem Schwerpunkt europäische Migrationsforschung
    Autor*in: Denis Zekovic
    Chemnitz, Juni 2025.
    Zitiervorschlag: Zekovic, Denis (Juni 2025): Integrationschampions: Die Rolle von Einzelnen im lokalen Umgang mit Ankommen und Integration. Fact Sheet-Reihe Forschung:Praktisch 3|2025. Technische Universität Chemnitz, Chemnitz. https://doi.org/10.59350/gbx4t-hwn97

  • Arbeitsmarktzugang von geflüchteten Frauen

    „Ich möchte gerne irgendwo in einer öffentlichen Institution arbeiten, damit die nicht denken, dass alle, die ein Kopftuch tragen, nur Kinderwagen schieben oder Kinder haben können. Sondern wir zahlen genauso Steuern, wir arbeiten genauso wie alle anderen.“
    Perspektive einer geflüchteten Mutter

    Factsheet #3 | 2025

    Beim Arbeitsmarkzugang von Geflüchteten zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen Frauen und Männern. Im Jahr 2024 sind 75 % der männlichen Geflüchteten, die seit 2015 nach Deutschland gekommen sind, erwerbstätig, bei den Frauen sind es 31 % (Brücker et al. 2024).
    Im Folgenden werden drei Argumente aufgezeigt, wie geringere Erwerbstätigkeit von Frauen in unserer Forschung begründet wird und Ansätze vorgestellt, die den bestehenden Blick weiten.

    Perspektiven

    In unserer Forschung zeigen sich drei große Erklärungsmuster, wie die Arbeitsmarkt-
    integration von geflüchteten Frauen diskutiert wird. Dabei schließen sich die Argumentationen nicht gegenseitig aus, sondern werden auch parallel genutzt. Das Factsheet möchte Bewusstsein für diese Muster schaffen und dazu  anregen, Stereotype zu hinterfragen.

    „Geflüchtete Frauen sind eine unausgeschöpfte Ressource für den Arbeitsmarkt.“

    Aus dieser Perspektive wird argumentiert, dass geflüchtete Frauen einen wichtigen Beitrag zum Arbeitsmarkt in Deutschland leisten könnten und aufgrund des Fachkräftemangels gebraucht werden. Allerdings müssten dafür besondere Voraussetzungen geschaffen werden. Die größten Barrieren werden hier in der Verbindung von Familie und Lohnarbeit gesehen, etwa was die Kinderbetreuung,  die Arbeit im Haushalt und die familiäre Akzeptanz einer Arbeitsaufnahme betrifft.
     „Die Arbeitsintegration entwickelt sich wirklich langsam. Die Kita-Platz-Situation ist hier auch nicht so toll. Dadurch ist es schwierig.“ Mitarbeiterin eines Jobcenters

    „Geflüchtete Frauen wollen/dürfen nicht arbeiten.“

    Diese Argumentation fokussiert den kulturellen Hintergrund und bezieht sich insbesondere auf Frauen mit (vermutetem) muslimischem Glauben. Es wird angenommen, dass es den Frauen aus der Erfahrung in ihren Herkunftsländern fremd ist, außerhalb der Familie zu arbeiten und sie sich nicht am Arbeitsmarkt beteiligen wollen oder dürfen. Hier werden Ukrainerinnen häufig als positives Gegenbeispiel angebracht.
    „Bei den Frauen spielt der kulturelle Hintergrund oft eine Rolle. Ich habe Frauen in der Beratung, die sehr intelligent sind, aber die sind dann natürlich auf die Rolle als Mutter und Ehefrau fixiert.“ Leitung einer Arbeitsagentur

    „Geflüchtete Frauen können nur bestimmte Berufe ausüben.“

    Wenn von der Einbindung geflüchteter Frauen in den Arbeitsmarkt gesprochen wird, werden die immer gleichen möglichen Berufe als Beispiele genannt. Bei guten Deutschkenntnissen liegen diese im sozialen Bereich wie Sozialassistentin oder Altenpflegehelferin, bei weniger guten Deutschkenntnissen in der Reinigungsbranche. Selten werden geflüchtete Mütter dazu ermutigt, eine Stelle anzunehmen, die ihrem ehemaligen Qualifikationslevel entspricht. Die Herabstufung von Fähigkeiten und die Empfehlung von geschlechtsspezifischen Berufen sind Effekte dieses Narrativs.
    Was wir von den Frauen wissen ist, dass sie Kinder in Größenordnungen  betreuen können und eine gewisse Leidenschaft dafür da ist, sich auch um andere Kinder zu kümmern.“ Leitung einer Arbeitsagentur

    Handlungsimpulse

    Außerhalb des Familienkontextes beraten

    In Beratungsgesprächen der Jobcenter wird eine Bedarfsgemeinschaft, also eine Familie,  gemeinsam beraten. Insbesondere wenn die Sprachkenntnisse der Frauen geringer sind als die der Familienväter, gehen ihre Vorstellungen und Ziele unter.
    Eine junge Frau mit Fluchthintergrund beschreibt es so: „Natürlich, so eine Familie ist eine Gemeinschaft, die haben schon gemeinsame Ziele, aber jede Person hat auch eigene Ziele. Auch die Frau darf Zukunftsvorstellungen haben, trotz ihrer Rolle als Mutter.“ Beratungsformate, die dafür sensibel sind und mit Frauen allein sprechen, können an die Lebenswelt der einzelnen Frau angepasst beraten.

    Mehrfachdiskriminierung sehen

    Geflüchtete Frauen sind mit verschiedenen Hürden konfrontiert, die sich nicht allein mit dem Geschlecht, der Religion, der Mutterschaft oder der Herkunft erklären lassen. Vielmehr entstehen sie aus der Überschneidung verschiedener Stereotype, die es zu Frauen, Musliminnen, Müttern und Menschen aus bestimmten Weltregionen gibt.
    In Diskriminierungssituationen sollte hinterfragt werden, woher  ein bestimmtes Stereotyp kommt und gezielt dagegen argumentiert werden.

    Nicht jede Frau ist eine Mutter

    Häufig werden geflüchtete Frauen automatisch als Mütter adressiert: Die Mehrzahl von Unterstützungsangeboten sprechen Frauen mit Kindern an. Es gibt aber auch Frauen, die ohne Familie gekommen sind. Gerade im mittleren Erwachsenenalter sind Frauen ohne Familie von Einsamkeit und fehlenden Perspektiven betroffen. Diese Gruppe und ihre Bedarfe sollte stärker in den Blick genommen werden. Arbeit kann hier ein zentraler Schlüssel für die soziale Einbindung und den Spracherwerb sein.

    Veränderung in der Aufnahmegesellschaft

    Wenn geflüchtete Frauen in den Arbeitsmarkt eingebunden werden sollen, erfordert das nicht nur Anstrengungen der Frauen, sondern auch  Engagement der Arbeitsmarktakteure. Die Akzeptanz von Frauen mit Kopftuch als gleichwertige Mitarbeiterinnen, die Bereitschaft sich mit unbekannten Formen der Familienorganisation auseinander zu setzen und die Offenheit für einen Start in den Job mit mittelmäßigen Sprachkenntnissen sind beispielhaft für Bereiche, in denen sich die Aufnahmegesellschaft  weiterentwickeln muss. Die Sichtbarkeit von bestehenden positiven Beispielen kann dabei helfen, die notwendigen Veränderungen  als machbar zu begreifen.
    Einblicke in den Ankommensprozess einer jungen Frau:
    Standbild Video Inside the journey of migrant integration
    Link zum Videoportrait „Inside the Journey of Migrant Integration in Lüchow “ (Auf Deutsch)
    Das Factsheet ‚Arbeitsmarktzugang von geflüchteten Frauen‘ von Friederike Enßle-Reinhardt ist in der Reihe Forschung:Praktisch der Professur für Humangeographie mit dem Schwerpunkt Europäische Migrationsforschung der TU Chemnitz unter der offenen Lizenz CC BY-ND 4.0 veröffentlicht.
    Das kostenlose PDF kann hier heruntergeladen werden:#3 Forschungpraktisch-Arbeitsmarkt geflüchtete Frauen
    Die Forschung hinter den Empfehlungen
    Seit 2016 arbeitet das Team um Prof. Dr. Birgit Glorius zu Ankunftsprozessen von Geflüchteten, insbesondere abseits der Großstädte.
    In dieser Factsheet-Reihe führen wir Erkenntnisse, die wir in verschiedenen Forschungsprojekten zu den Themen Flucht& Ankommen gesammelt haben in  übersichtlicher Weise zusammen. Die Ergebnisse sind handlungsorientiert zusammengefasst und bieten vielfältige Anknüpfungspunkte für Praktiker:innen, etwa Personen aus der (Lokal)Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft.
    Unsere Forschungsmethoden umfassen qualitative Methoden wie Interviews, Beobachtungen, Fokusgruppendiskussionen und Mappings, sowie quantitative Umfragen.
    Detaillierte Informationen über die einzelnen Forschungsprojekte und Forschungsmethoden finden Sie hier auf der  Website unserer Professur.
    Literatur: Brücker, H., M. Ehab, P. Jaschke & Y. Kosyakova (2024): Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten: Verbesserte institutionelle Rahmenbedingungen fördern die Erwerbstätigkeit. (IAB-Kurzbericht 10/2024 ), Nürnberg.
    Impressum: Technische Universität Chemnitz, Professur für Humangeographie mit dem Schwerpunkt europäische Migrationsforschung
    Autorin: Friederike Enßle-Reinhardt
    Chemnitz, Januar 2025.
    Zitiervorschlag: Enßle-Reinhardt, Friederike (Januar 2025): Arbeitsmarktzugang von geflüchteten Frauen. Fact Sheet-Reihe Forschung:Praktisch 3|2025. Technische Universität Chemnitz, Chemnitz. https://doi.org/10.59350/gbx4t-hwn97
     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

  • Zugang zum Wohnungsmarkt

    Zugang zum Wohnungsmarkt

    Factsheet #1 | 2025

    Die eigene Wohnung ist ein zentraler Rückzugsort für alle Menschen.
    Wie und wo gewohnt wird, hat daher auch erheblichen Einfluss auf das Wohlbefinden von Geflüchteten, etwa durch die soziale Einbindung in die Nachbarschaft. Gleichzeitig ist das Thema Wohnen eine der größten praktischen und gesellschaftlichen Herausforderungen für Kommunen. Wohnungsknappheit ist nicht nur in Großstädten ein Problem, sondern auch in Klein– und Mittelstädten eine immer drängendere Frage.

    Handlungsimpulse

    Dezentrale Unterbringung

    Viele Kommunen setzen auf eine dezentrale Unterbringung von Anfang an. Für Geflüchtete bietet dies den Vorteil, von Beginn an nachbarschaftliche Strukturen und Wissen über Wohnen in Deutschland aufzubauen. Für alle Bewohner:innen enstehen mehr Anknüpfungsmöglichkeiten für erste zwanglose Kontakte. Wichtige Partner in der dezentralen Unterbringung sind kommunale Wohnungsgesellschaften, privatwirtschaftliche Unternehmen und private Vermieter:innen.

    Gezielte Ansprache von Vermieter:innen

    In kleinen Gemeinden mit wenig kommunalem Wohnungsbestand ist Wohneigentum oft unter vielen Privatpersonen verteilt. Private Vermieter:innen lassen sich durchaus für die Unterbringung von Geflüchteten gewinnen, allerdings sind hier besondere Strategien gefragt, etwa eine persönliche Ansprache. Die Zusammenarbeit der Kommune mit Ehrenamtlichen in der Flüchtlingshilfe und die Nutzung ihrer sozialen Netzwerke kann hier einen besonderen Beitrag leisten.

    Begleitung des Einzugs

    Ein begleiteter Einzug hat sich in einigen Kommunen als hilfreich erwiesen. Sozialarbeitende informieren die ansässigen Mieter:innen über den Einzug, begleiten Geflüchtete im Ankommensprozess und können im Vorfeld auf Fragen und Vorbehalte reagieren. Es gibt eine konkrete Ansprechperson, die Missverständnisse ausräumen und vermitteln kann. In best-practice Beispielen wird dies von kommunalen Wohnungsunternehmen, der Gemeinde oder dem Land finanziert.

    Migrantische Nachbar:innen als Ressource

    Wenn viele Migrant:innen in einer Nachbarschaft wohnen wird das oft kritisch gesehen. Allerdings sind länger ansässige Menschen mit Migrationshintergrund eine wesentliche Ressource im Quartier, die für Geflüchtete Anknüpfungspunkte an die lokale Gemeinschaft bieten. Diese Ressource anzuerkennen und zu unterstützen, kann die Ankunftssituation und das soziale Zusammenleben langfristig verbessern.

    Hintergrund

    Passfähigkeit als Herausforderung

    Für Geflüchtete mit geringem Einkommen, beschränkten sozialen Netzwerken vor Ort und wenig Deutschkenntnissen sind angespannte Wohnungsmärkte eine besondere Herausforderung. In Kommunen mit verfügbarem Wohnraum liegt das Problem in der Passfähigkeit von Wohnungsgröße und dem Bedarf, etwa von großen Familien aber auch von Alleinstehenden oder Menschen mit körperlichen  Beeinträchtigungen.

    Diskriminierung bei der Wohnungssuche

    Bei Diskriminierungen spielen aufenthaltsrechtliche  Sachverhalte wie Aufenthaltstitel für ein Jahr oder wenige Monate eine wichtige Rolle. Für einen Mietvertrag wird das von Vermietenden, auch von kommunalen Wohnungsunternehmen, als zu kurz und unsicher eingestuft.
    Zudem ist die Ablehnung von Personen mit sichtbarem Migrationshintergrund ein Problem. Gründe dafür liegen in Unsicherheit gegenüber „Fremden“, Sorge vor Sprachbarrieren, aber auch rassistischen  Einstellungen.

    Kulturalisierung von Nachbarschaftskonflikten

    Sind Geflüchtete involviert, werden Nachbarschaftskonflikte schnell zu kulturellen Konflikten erklärt. Insbesondere in alternden und schrumpfenden Gemeinden liegen die Hintergründe von Streit über Lärm oder Nutzungskonflikte (bspw. Mittagsruhe versus Kinderspiel im Hof) häufig an unterschiedlichen Bedürfnissen von Altersgruppen und verschiedenen Lebensrealitäten. In Kommunen mit Leerständen ist es auch die ungewohnte Präsenz von Mieter:innen in zuvor leeren Wohnungen, die als störend erlebt wird.

    Zur Abbildung:  Die Wohnsituation von Geflüchteten ist maßgeblich von den rechtlichen Rahmenbedingungen im Asylverfahren geprägt. Die Abbildung oben stellt den Verlauf im Asylverfahren mit positivem Bescheid und Anerkennung des Schutzstatus vereinfacht dar.
    Für Menschen in Duldung und Aufenthaltsgestattung sind die Aufenthaltsdauer in Gemeinschaftsunterkünften sowie die Mobilitätseinschränkung aufgrund von Residenzpflicht und Wohnsitzauflage deutlich größer.
    Das Factsheet ‚Zugang zum Wohnungsmarkt‘ von Friederike Enßle-Reinhardt ist in der Reihe Forschung:Praktisch der Professur für Humangeographie mit dem Schwerpunkt Europäische Migrationsforschung der TU Chemnitz unter der offenen Lizenz CC BY-ND 4.0 veröffentlicht.
    Das kostenlose PDF kann hier heruntergeladen werden: #1 Forschungpraktisch-Wohnen
    Die Forschung hinter den Empfehlungen
    Seit 2016 arbeitet das Team um Prof. Dr. Birgit Glorius zu Ankunftsprozessen von Geflüchteten, insbesondere abseits der Großstädte.
    In dieser Factsheet-Reihe führen wir Erkenntnisse, die wir in verschiedenen Forschungsprojekten zu den Themen Flucht& Ankommen gesammelt haben in  übersichtlicher Weise zusammen. Die Ergebnisse sind handlungsorientiert zusammengefasst und bieten vielfältige Anknüpfungspunkte für Praktiker:innen, etwa Personen aus der (Lokal)Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft.
    Unsere Forschungsmethoden umfassen qualitative Methoden wie Interviews, Beobachtungen, Fokusgruppendiskussionen und Mappings, sowie quantitative Umfragen.
    Detaillierte Informationen über die einzelnen Forschungsprojekte und Forschungsmethoden finden Sie hier auf der  Website unserer Professur.
    Impressum: Technische Universität Chemnitz, Professur für Humangeographie mit dem Schwerpunkt europäische Migrationsforschung
    Autorin: Friederike Enßle-Reinhardt
    Chemnitz, Januar 2025.
    Zitiervorschlag: Enßle-Reinhardt, Friederike (Januar 2025): Zugang zum Wohnungsmarkt. Fact Sheet-Reihe Forschung:Praktisch 1|2025. Technische Universität Chemnitz, Chemnitz. https://doi.org/10.59350/bjb9r-rdb45

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

  • Begegnungen und Gemeinschaftsorte in Klein- und Mittelstädten

    Begegnungen und Gemeinschaftsorte in Klein- und Mittelstädten

    Factsheet #2 | 2025

    Soziale Begegnungen und die Verfügbarkeit von Gemeinschaftsorten können das Zusammenleben und Integrationsprozesse beeinflussen.
    Um Begegnungen zu ermöglichen braucht es unterschiedliche Orte der Zusammenkunft. Klein- und Mittelstädte stehen dabei vor besonderen Herausforderungen.

    Handlungsimpulse

    Ambivalenzen von Begegnungen bedenken

    Begegnungen im Alltag können spontan oder geplant erfolgen und eine große Bandbreite unterschiedlicher Formen annehmen. Sie reichen vom gegenseitigen Wahrnehmen, über das Grüßen, Wiedererkennen, miteinander sprechen bis hin zu gemeinsamen Aktivitäten. Begegnungen können zum gegenseitigen Kennenlernen und dem Vertrauen zwischen Zugewanderten und Alt-eingesessenen beitragen, sie helfen Vorurteile abzubauen, können aber auch Konflikte hervorrufen. Die Wirkungen von Begegnungen sind also vielfältig und ambivalent.

    Bedingungen für Begegnungen schaffen

    Öffentliche Räume sind Orte und Schauplatz sozialer Begegnungen. Sie können für die Konstitution gemeinschaftlichen Zusammenlebens in der Einwanderungsgesellschaft von großer Bedeutung sein. Daher sollten bei der Planung öffentlicher Räume Faktoren wie Zugänglichkeit, Größe, (gefühlte) Sicherheit und Nutzungsvielfalt berücksichtigt werden.
    Besonders Kleinstädten mangelt es oft an attraktiven öffentlichen Räumen, die spontane Begegnungen und den Aufenthalt fördern. Häufig wird der Zugang zu gemeinschaftlichen Orten wie Vereinshäusern oder Begegnungszentren durch mangelnde Erreichbarkeit, etwa durch schlechten ÖPNV zusätzlich erschwert.  Zur Förderung des sozialen Zusammenlebens, sollten Orte der Zusammenkunft, ihre Erreichbarkeit und Nutzungsvielfalt daher gestärkt werden.

    Orte der Zusammenkunft stärken

    Öffentliche Räume, soziale Einrichtungen und Orte der Geselligkeit bieten Gelegenheit für qualitätvolle Begegnung. So finden Austausch und Interaktionen zwischen bisher unbekannten Menschen häufig an Orten statt, die aufgrund eines gemeinsamen Interesses oder geteilter Notwendigkeit genutzt werden wie z. B. Bibliotheken, Schulen, Kindergärten oder auch Cafés. Auch der Arbeitsplatz oder ehrenamtliches Engagement bieten Gelegenheiten für Begegnungen. Diese Orte sind von hoher Bedeutung für das soziale Zusammenleben. Sie sollten räumlich, finanziell sowie professionell durch Angebote und Moderation gestärkt werden.

    Hintergrund

    Schwindende Kontaktmöglichkeiten

    Wenn ich hier [im Café der Geflüchtetenunterstützung] jemanden treffe, kann man Kontakt haben. Aber einfach auf der Straße andere kennenlernen, das passiert nicht so viel.“ (Geflüchteter, 30-35 Jahre aus Eritrea)
    Die „Kontakthypothese“ nach Allport (1954) besagt, dass gruppenbezogene Vorurteile durch persönlichen Kontakt abgebaut werden können. Für diesen Kontakt braucht es Orte und Gelegenheiten der Begegnung. In Klein– und Mittelstädten wirken sich mangelnde Finanzierung und sozialer Wandel auf die Ausdünnung von Dienstleistungs– und Versorgungsangeboten sowie auf die Funktionalität tradierter Orte sozialer Zusammenkunft besonders stark aus. Dadurch werden Kontaktsituationen zwischen Geflüchteten und der Alt-eingesessenen Bevölkerung eingeschränkt. Dies kann sich nachteilig auf die individuellen Einstellungen gegenüber Zuwanderung und die Möglichkeiten sozialer Teilhabe auswirken.

    Zugänglichkeit zu Orten der Gemeinschaft

    Alltägliche Begegnungen können lose Kontakte festigen und Gefühle sozialer Einbettung stärken. Insbesondere lokale Vereine, Cafés oder soziale Einrichtungen sind Orte, an denen diese wertvollen Begegnungen stattfinden. Hier können wichtige Anknüpfungspunkte für Zugewanderte entstehen und Brücken zur ansässigen Bevölkerung gebaut werden. Zugewanderte in Klein– und Mittelstädten berichteten jedoch häufig von einer wahrgenommenen Reserviertheit der lokalen Bevölkerung. Diese kann übliche Barrieren wie fehlende Kenntnisse der Sprache und impliziter, chiffrierter Normen des sozialen Zusammenlebens beim Zugang zu Orten der Gemeinschaft zusätzlich erschweren.

    Begegnungen zwischen und innerhalb sozialer Gruppen

    Die Perspektive auf Begegnungen sollten nicht nur auf den Austausch zwischen Zugewanderten und Alteingesessenen reduziert werden. Auch innerhalb einzelner Communities sind Begegnungen für den Integrationsprozess, z. B. zur Bildung von Netzwerken, den Austausch von Informationen oder für Prozesse der Meinungsbildung, von hoher Relevanz.

     

    Unterschiedliche Orte ermöglichen unterschiedliche Formen des Kontakts

    Tabelle der unterschiedlichen Räume und Kontaktmöglichkeiten

    Das Factsheet ‚Begegnung und Gemeinschaftsorte in Klein- und Mittelstädten‘ von Johannes Glöckner ist in der Reihe Forschung:Praktisch der Professur für Humangeographie mit dem Schwerpunkt Europäische Migrationsforschung der TU Chemnitz unter der offenen Lizenz CC BY-ND 4.0 veröffentlicht.
    Das kostenlose PDF kann hier heruntergeladen werden: #2 Forschungpraktisch-Begegnung
    Die Forschung hinter den Empfehlungen
    Seit 2016 arbeitet das Team um Prof. Dr. Birgit Glorius zu Ankunftsprozessen von Geflüchteten, insbesondere abseits der Großstädte.
    In dieser Factsheet-Reihe führen wir Erkenntnisse, die wir in verschiedenen Forschungsprojekten zu den Themen Flucht& Ankommen gesammelt haben in übersichtlicher Weise zusammen. Die Ergebnisse sind handlungsorientiert zusammengefasst und bieten vielfältige Anknüpfungspunkte für Praktiker:innen, etwa Personen aus der (Lokal)Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft.
    Unsere Forschungsmethoden umfassen qualitative Methoden wie Interviews, Beobachtungen, Fokusgruppendiskussionen und Mappings, sowie quantitative Umfragen.
    Detaillierte Informationen über die einzelnen Forschungsprojekte und Forschungsmethoden finden Sie hier auf der Website unserer Professur.
    Literatur: Allport, G. W. (1954). The nature of prejudice. Cambridge: Addison-Wesley.
    Bildnachweis: © Lawrence Chismorie auf Unsplash
    Impressum: Technische Universität Chemnitz, Professur für Humangeographie mit dem Schwerpunkt europäische Migrationsforschung
    Autor: Johannes Glöckner.
    Chemnitz, Januar 2025.
    Zitiervorschlag: Glöckner, Johannes (Januar 2025): Begegnungen und Gemeinschaftsorte in Klein- und Mittelstädten. Fact Sheet-Reihe Forschung:Praktisch 2|2025. Technische Universität Chemnitz, Chemnitz. https://doi.org/10.59350/5hzfk-6yf87