Wenn man auf gut 30 Jahre Lehrerfahrung (die Zeit als junger Assistent eingeschlossen) auf dem Gebiet der theoretischen Physik zurückblicken kann, dann wird der Blick auf die Lehre zu einem Resümee eines Lehrers an der Hochschule.
Meine Vorlesungstätigkeit an der TU in Chemnitz begann 1993 mit einem Lehrauftrag zum Fachgebiet Quantentheorie, setzte sich fort mit einer Vorlesung zur Kontinuumstheorie, in das ich meine erworbenen Kenntnisse als Wissenschaftler am Institut für Mechanik der AdW der DDR einbringen konnte. Da man als Privatdozent eigenverantwortlich Lehrveranstaltungen anbieten kann, war es mir ein Anliegen, ehemals erlerntes und später erworbenes Wissen auf Gebieten weiterzugeben, welche in der Ausbildung der (Diplom-)Physiker in Chemnitz nicht bzw. nicht mehr vorkamen. Deshalb ergänzte ich die vorhandenen Lehrgebiete durch die Wahlpflichtfächer Spezielle und Allgemeine Relativitätstheorie, Nichtlineare Dynamik, Relativistische Quanten- und Quantenfeldtheorie sowie eine fakultative Vorlesung zur Geschichte der Physik. Schließlich übertrug man mir 2010 die Grundlagenausbildung zur theoretischen Physik im neugestalteten Physik-Bachelorkurs, d.h. auf den Gebieten Theoretische Mechanik, Quantentheorie, Elektrodynamik, Thermodynamik und Statistik, so dass ich inzwischen Vorlesungen zu elf verschiedenen Fachgebieten gehalten habe.
Eine gute Vorlesung geht auch mit Tafel und Kreide
Eine gute Vorlesung setzt eine sehr gute Vorbereitung bei der Planung des Umfanges, der enthaltenen Teilgebiete sowie deren logischer Abfolge voraus. Selbstverständlich sollte das Wissen um die Vorkenntnisse der teilnehmenden Studenten sein, damit man nicht “über die Köpfe hinweg” redet, sondern sie bei dem vorhandenen Wissen abholt. Eine neu erstellte Vorlesung ist erfahrungsgemäß selbst bei bester Vorbereitung stets “unfertig”, da man bei kritischer Selbstreflexion und an der Reaktion der Studenten merkt, wo man unbedingt nacharbeiten und verbessern sollte. Das bedeutet: Nach der Vorlesung ist vor der Vorlesung – man sollte unbedingt das vermerken (und künftig verbessern), wo man ein gewisses “Unbehagen” verspürte. Ganz “fertig” wird wohl eine Vorlesung nie werden, denn man lernt auch immer dazu, liest aktuelle Dinge zu dem Fachgebiet und sieht auch manches mit fortschreitendem Alter etwas anders.
“Wie sage ich es meinem Kinde?” – diese Fragestellung, gemeinhin mit dem Terminus “Didaktik” umschrieben, muss stets in Abhängigkeit vom Gegenstand der Lehre beantwortet werden. In der theoretischen Physik ist die Vorlesung mit Tafel und Kreide (und mit Blickkontakt zum Aditorium!) m. E. immer noch die beste Art und Weise, in der zur Verfügung stehenden Zeit, das notwendige Wissen zu vermitteln. Das Schreiben mit Kreide (lesbare(!) Schrift vorausgesetzt) bewahrt vor zu zügigem Voranschreiten bei den allfälligen mathematischen Ableitungen, wie es in den meisten Fällen bei Folien- oder Beamer-Vorlesungen der Fall ist. Außerdem ist man flexibel, wenn einem im Laufe der Vorlesung noch ein Gedanke kommt bzw. man auf eine studentische Anfrage reagieren muss. Das heisst auch, dass man in den Vorlesungen mitschreiben muss. Ein Skript erhalten die Teilnehmer von mir erst am Ende des Kurses, weil ein Blättern im Skript während der Vorlesung von der notwendigen Konzentration abhält und der beim Mitschreiben erste notwendige Rezeptionsschritt entfällt. Aufgelockert werden meine Vorlesungen durch die eine oder andere physik-biografische oder historische Anekdote. Auch arbeite ich zur Unterstützung des Inhaltes hin und wieder mit Folien und zeige, allerdings sehr selten, zur Illustration auch mal ein Filmchen. Die “Geschichte des Physik” war hingegen eine sehr medial geprägte Vorlesung (Beamer und Tafel).
Repetito mater studiorum est – Anforderungen an Studierende
Zu Beginn eines Kurses bitte ich die Studenten, ein paar Dinge zu beherzigen:
- Das Wort “Studium” geht auf das lateinische Wort “studere” zurück und bedeutet ”sich bemühen”. Das erfordert das Mitdenken in den Vorlesungen und das Nacharbeiten dieser auch außerhalb der Übungen. Früher lernte man: Repetitio mater studiorum est.
- Ich bitte nachdrücklich um Verstehensfragen während des Verlaufs der Vorlesung. Mancher “mentale Klemmer” ist mit ein paar Worten beseitigt, befreit die Gedanken und macht das weiter Verfolgen der Vorlesung einfacher. Umfangreich zu erläuternde Nachfragen beantworte ich gern am Ende der Vorlesung, verweise auf die Übung bzw. auf die nächste Vorlesung, wenn ich die Frage nicht sofort beantworten kann (auch das gibt´s :). Mein Vorteil sind natürlich die geringen Zuhörerzahlen bei den Physikern, selten mehr als 20 (nur bei der “Geschichte” waren es mal über 80).
- Theorievorlesungen sind hinsichtlich des Grades der physikalischen und mathematischen Abstraktion hinreichend anspruchsvoll, so dass man “ganz dabei sein muss”. Aus diesem Grunde bitte ich die Studenten darum, die Mobiltelefone in den Taschen verschwinden zu lassen und sich zum Herren über ihre Zeit aufzuschwingen: “Nur Sklaven müssen immer erreichbar sein.”
Die Studierenden auf die berufliche Zukunft vorbereiten
Als Dozent sollte man immer im Blick haben, welche Kenntnisse für die Studenten für Ihren weiteren Berufsweg von Bedeutung sein könnten, denn letztlich sind wir “Dienstleister”. In diesem Sinne ist mir als Credo eine Sentenz wichtig geworden, welche ich in der Widmung eines Fachbuches fand: “To students, who are the primary reasons for the existence of our profession”.
___
Eine studentische Sicht auf die Lehrveranstaltung in der Theoretischen Physik ist auf dem Blog der Campus TUschler zu finden.
Schreibe einen Kommentar