Benennungen in der Belletristik zur (post-) kolonialen Zeit

Im folgenden Beitrag werden Benennungen und Beschreibungen in Romanen des Kolonialzeitalters und der postkolonialen Zeit verglichen. Bei der Untersuchung der zwei Fallbeispiele wurde sich auf die Texte „Ortsnamen, Namen, überhaupt Benennungspraktiken in Prozessen kolonialer Raumaneignung“ von Dunker und Assembonis „‘Benennen‘ und ‚Besitzen‘. Der Schwarze im (post-)kolonialen Wortschatz“ gestützt.

In der Benennung von Orten spielt der Blick des Entdeckers eine wichtige Rolle. Dieser erobert dabei fremde, wilde und gefährliche Welten und erhebt seinen Besitzanspruch durch die Namensgebung. Durch Possessivpronomen in Berichten und Erzählungen wird dieser Besitzanspruch verdeutlicht. In der Gegenwartsliteratur wird dagegen das ‚Debunking‘, die sogenannte Entzauberung dieser kolonialen Namen, versucht. Jedoch erweist es sich als schwierig koloniale Konnotationen aus der Alltagssprache zu entfernen. In der Beschreibung von Personen sind in der Kolonialliteratur beständig negative Konnotation mit einer anderen Hautfarbe als der weißen zu finden, außerdem werden von Attribute wie unzivilisiert, primitiv oder unanständig häufig verwendet.

Ähnlich wie in Ortsbeschreibungen ist es auch im postkolonialen Wortschatz mit Schwierigkeiten verbunden, veraltete Bezeichnungen aus den Köpfen der Menschen verschwinden zu lassen.

Im Folgenden werden zwei verschiedene Romane betrachtet, die allesamt aus einem heimischen Bücherregal stammen und damit eine Repräsentation eines durchschnittlichen Lesers darstellen sollen. Der erste Roman aus der Kolonialzeit, der betrachtet wird, ist Emilio Salgaris „Die Tiger von Mompracem“ von 1900. Salgari wurde 1862 in Italien geboren, gilt als italienischer Karl May und verbrachte sein gesamtes Leben in Südeuropa. Der Roman ist der dritte Band der Sandokan-Reihe und basiert auf Reiseberichten über Südostasien. Als Ortsbenennungen werden die Namen der Landessprache verwendet, etwa „Labuan“ oder „Sarawak“, eine Ortsbeschreibung, die in den ersten zwanzig Seiten, verwendet wird ist „wilde Insel“. Bei den Personenbeschreibungen fällt besonders der Kontrast zwischen weißen und schwarzen Charakteren auf. So werden europäischen Charaktere etwa mit „gleichmäßigen Gesichtszügen“ oder als „Wesen unglaublicher Schönheit“ dargestellt, die indigenen Völker des Gebietes jedoch werden mit Affen verglichen, als Kannibalen bezeichnet oder Unansehnlichkeit wird als ein charakteristisches Merkmal angegeben. Salgari bemüht sich in seinem Roman akkurate Ortsbeschreibungen zu geben, doch in den Personenbeschreibungen wird eine klare Grenze zwischen Europäern und Südostasiaten und dann noch einmal zwischen Schwarzen gezogen.

Der Roman „Die Tränen der Massai“ wurde von Frank Coates verfasst und 2004 veröffentlicht. Coates wurde in den 1960er Jahren in Melbourne geboren und verbrachte 1989 ein Jahr in Kenia für die UN. Dort lernte er seine spätere Frau, eine Massai, kennen, jedoch endete die Ehe nach fünf Jahren aufgrund der kulturellen Unterschiede. Das Werk ist teilweise autobiographisch. Die benannten Orte tragen teilweise ihre Originalnamen, jedoch werden auch europäische Bezeichnungen verwendet, wie etwa Victoriasee oder Great Rift Valley. Bei der Beschreibungen der Menschen verwendet Coates Bezeichnungen der Massai, zum Beispiel „Ngai“, „Dorobo“ oder „Moran“. Auch hier wird eine klare Grenze zwischen Europäern und Afrikanern gezogen, wie mit der Beschreibung „[…] gerade Nasen und hohen Wangenknochen – eher mediterrane als afrikanische Gesichtszüge“, welche in der nächsten Zeile als die „feineren Gesichtszüge“ bezeichnet werden.

Coates bemüht sich respektvoll mit den Legenden, Geschichten und der Sprache umzugehen und keine koloniale Sprache zu verwenden. Trotzdem lassen sich Verallgemeinerungen und Formulierungen im Roman finden, die durchaus Grund zu Diskussionen geben könne.

Beim Vergleich der beiden Werke lassen sich durchaus Veränderungen in der Sprache erkennen, auch in dieser nicht-wissenschaftlichen Literatur. Dabei ist zu erwähnen, dass der Autor der modernen Belletristik in direkte Berührung mit dem realen Afrika in seinen verschiedenen Nuancen und vielfältigen Menschen gekommen sind, was durchaus Einfluss auf diese Veränderungen hat. Bemühungen sind also durchaus erkennbar, auch wenn teilweise noch immer Formulierungen auftauchen, die bei näherer Betrachtung fragwürdig erscheinen.

Jedoch sind diese ersten Veränderungen von großer Bedeutung, da sie eine Umformung kolonialer Sprachmuster nicht nur im wissenschaftlichen Diskurs, sondern auch in den Köpfen aller Menschen bewirken kann.


Autorin: Jessica Frank

Redaktion: Julia Tuncel

Literatur:

Belletristik:

Blixen, Tania (1937): Jenseits von Afrika, Random House, Inc.: New York.

Salgari, Emilio (2009): Die Tiger von Mompracem, Wunderkammer Verlag GmbH: Neu-Isenburg.

Coates, Frank (2004): Die Tränen der Massai, Knaur Taschenbuch: München.

Winter, Karen (2012): Das Herz der Savanne, Bastei Lübbe GmbH & Co.KG: Garbsen.

Fachliteratur:

Assemboni, A. O. (2017): „Benennen“ und „besitzen“. Der Schwarze im (post)kolonialen Wortschatz. In: Dunker, A., Stolz, T. & I. H. Warnke [Hrsg.]: Benennungspraktiken in Prozessen kolonialer Raumaneignung. Koloniale und Postkoloniale Linguistik, Bd. 10, S. 111 – 125.

Dunker, A. (2017): Ortsnamen. Namen überhaupt. Benennungspraktiken in Prozessen kolonialer Raumaneignung. In: Dunker, A., Stolz, T. & I. H. Warnke [Hrsg.]: Benennungspraktiken in Prozessen kolonialer Raumaneignung. Koloniale und Postkoloniale Linguistik, Bd. 10, S. 1-16.