Gruppendiskussion zum Thema „Sicherheit in Chemnitz“: Schwerpunkt Stereotype

Im folgenden Text sollen Stereotype ausgewertet werden, die im Rahmen der „Round Table Discussion“ vom 06. Oktober 2018 thematisiert wurden. Der betrachtete „Tisch 5“ diskutierte unter der Leitfrage „Fühlen Sie sich persönlich unsicher in der Innenstadt und wie schätzen Sie die Sicherheitslage insgesamt ein?“

Die Diskussionsrunde an „Tisch 5“ bestand aus 5 männlichen Teilnehmern im Alter zwischen 31 und 77 Jahren und einem Moderator, der die Diskussion entsprechend leitete.

Auswertung von Stereotypen

Grundlegend sind Stereotype Verallgemeinerungen und Vorstellungsbilder über bestimmte Personen oder Gruppierungen. Sie werden die oft verbildlichend und vereinfachend genutzt werden und beruhen und auf subjektivem Empfinden.

Es gilt zwischen Kategorisierungen beziehungsweise Abgrenzungen und tatsächlichen Stereotypen innerhalb des Interviews zu unterscheiden. Beide Formen treten innerhalb des Interviews auf, lassen sich aber begründet voneinander abgrenzen. Die erste Phrase, die hervorsticht, ist „die Farbigen“; hierbei handelt es sich um eine Abgrenzung einer bestimmten Personengruppe, in diesem Falle also Personen mit einer dunkleren Hautfarbe und somit um ein ethnisch-migrantisches Stereotyp. „Ich sorge mich vor allem um unsere Basketball-Mädchen, vor allem um die Farbigen.“ Außerhalb des Kontextes kann diese Wortwahl Assoziationen mit bestimmten Eigenschaften hervorrufen, zumindest in bestimmten Personenkreisen, soll hier aber lediglich verdeutlichen, dass der Diskussionsteilnehmer sich besonders um die „women of colour“ seines Basketball-Vereins Sorgen macht und keine Diffamierungsabsichten hinter der Verwendung steckt. Der Begriff „Farbige“ ist dennoch ungünstig und wahrscheinlich aus Unwissenheit gewählt, denn „laut der ‚Initiative Schwarze Menschen in Deutschland‘, ADEFRA (Schwarze Frauen in Deutschland) und weiteren Experten gibt es keine Farbigen, der Begriff stammt aus der Kolonialzeit, in Deutschland hat er in den 50ern das als rassistisch erkannte N-Wort ersetzt; eine Verwendung des Begriffs „Farbige“ durch die DiskussionsteilnehmerInnen weist auf Unkenntnis der aktuellen Debatte hin. Ferner wird im Interviewverlauf das Wort „Mädchen“ häufig verwendet, aber auch dies dient scheinbar nur als Abgrenzung und wird nie weder mit positiven noch mit negativen Eigenschaften in Verbindung gebracht. Beispielsweise „Wer attackiert die Mädchen denn?“ oder „Es kommen immer wieder dumme Bemerkungen, meist von Deutschen. Die Mädchen haben ein mulmiges Gefühl.“ Die Verwendung des Begriffes „Mädchen“ ist, im Kontext betrachtet, immer gerechtfertigt, da die Personengruppe, welche angesprochen wird, eben heranwachsende Frauen beziehungsweise. Mädchen sind. Vielmehr soll mit dem Begriff eine vermeintliche Verletzlichkeit oder Gefährdung und eine sich daraus ergebende Schutzbedürftigkeit der Frau per se dargestellt werden, also ein eindeutiger genderbezogener Stereotyp. Auch die Bezeichnung „Deutsche“, „Deutsch“ oder „Deutscher“ kommen vor, werden aber ohne bestimmte Eigenschaften hervorzurufen verwendet, sondern nur um die Nationalität der jeweiligen Personen hervorzuheben und jeweilige Personen abzugrenzen: „Eine unserer Spielerinnen, die Deutsche ist, aber einen farbigen Vater hat, geht kaum noch alleine einkaufen“. Worauf die Einschätzung des „Deutsch-Seins“ nun aber beruht, bleibt unklar, kommen doch eine Vielzahl von etwaigen Kriterien infrage, beispielsweise eine soziokulturelle Zuweisung. Ein Teilnehmer definiert sich selbst als „alter Mann“. Es soll wahrscheinlich mehr eine Selbstbeschreibung oder Selbsterklärung sein, als den Begriff des „alten Mannes“ stereotypisch zu definieren, nur macht seine Formulierung auch diese Auslegung möglich. Meine Frau sagt das auch, wenn sie zum Beispiel durch den Stadthallenpark geht – ohne es begründen zu können. Ich selbst kann das nicht sagen: Ich bin ein alter Mann – wenn überhaupt, dann bin ich tagsüber in der Stadt. Sowohl mein Alter als auch der Zeitpunkt meiner Stadtbesuche geben mir Sicherheit.“ Diese Selbstzuschreibung des altersbezogenen Stereotyps kann mitunter gewählt worden sein, um sich selber zu schützen bzw. Handeln oder Nicht-Handeln zu verteidigen.

Im weiteren Verlauf wird der Personengruppe „den Leuten (…) mit ihrer Bierpulle“ vorgeworfen, in der Öffentlichkeit abschreckend zu wirken. Derselbe Stereotyp kommt später im Text noch einmal vor, mit der Aussage: „Aber gerade die sind oft aggressiv“, hier bezogen auf Personen, welche Bier vor Supermärkten trinken. Hier wird auch die Gefahr von Stereotypen deutlich: Sie beurteilen Personen lediglich nach ihrer äußeren Erscheinung und kategorisieren sie nach vermeintlichen Eigenschaften, hinterfragen aber keine Hintergründe, Schicksale oder generell persönliche Eigenschaften.                                                                                                                        Ein weiterer, sehr auffälliger Stereotyp ist der der „Kopftuchmädchen“. So heißt es beispielsweise „Der Grund: die Ausländer, die Kopftuchmädchen. Die machen Angst.“ Diese Ansicht, dass „die Ausländer, die Kopftuchmädchen“ Angst erregen, lässt sich auf simple Xenophobie zurückführen. Das Bild einer Kopftuchtragenden Frau war lange Zeit eine Seltenheit, oft visuell erlebbar nur durch Fernsehen oder Urlaub. Obwohl es nun für die meisten zum Alltag gehört, Frauen mit Kopftuch oder Menschen mit anderer Hautfarbe zusehen, ist es für viele immer noch etwas „Fremdes“.

Als Fazit gilt es festzuhalten, dass bestimmte Stereotype durch eine unglückliche Auswahl von Worten verursacht und keine bewusste Diffamierung beabsichtigt ist, andere wiederum dienen nur der Abgrenzung bestimmter Personen von den Aussagenden. Mit einem bewussteren Gebrauch der Sprache könnten so viele Missverständnisse eliminiert werden, doch gerade in der Atmosphäre eine Diskussion, bei der es auch auf die rasche Antwort ankommt, fällt dies oft zurück. Jedoch gibt es immer noch Kampfbegriffe wie das „Kopftuch“, welche aber nur irrationale Ängste auslösen und somit unbegründet bestimmten Personengruppen Angst machen bzw. als Angstauslöser wahrgenommen werden.


AutorInnen: Vincent Nijhof, Corinna Hennemann, Luisa S. Grätz, Cedric Löhmer, Luisa Bartl, Philipp Bilz

Redaktion: Julia Tuncel