Eine Vergleichende Analyse von Daten aus Repräsentativbefragungen

Das Lebensgefühl der ChemnitzerInnen

„Jetzt rächt sich, dass viele Jahre eine kurzsichtige Politik gemacht wurde. Vieles ist totgespart worden, auch in der Bildung, das ist der Grund für den ganzen Unmut, der sich jetzt auf der Straße seine Bahn bricht“1 sagte eine Teilnehmerin bei einer Diskussionsveranstaltung der Freien Presse in Chemnitz. Nach den Ereignissen im August 2018 stellt sich die Frage, warum es gerade in Chemnitz zu großen Demonstrationen, Ausschreitungen und Hetzjagden gekommen ist. In der Diskussionsrunde spricht die Teilnehmerin an, dass das Problem, das die ChemnitzerInnen haben, eventuell nicht nur die Flüchtlingspolitik ist, sondern dass der Zuzug von Migranten nur der Tropfen war, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Vor diesem Hintergrund untersucht der folgende Text, ob sich das Lebensgefühl und die Lebenssituation der ChemnitzerInnen von dem der Sachsen/Sächsinnen als Ganzes unterscheidet.

Material

Um diesen Vergleich durchführen zu können, wurden zwei Ergebnisberichte aus zwei verschiedenen Bürgerumfragen als Material genutzt. Zum einen die ,,Chemnitzer Bürgerumfrage 2018″2 und zum anderen der ,,Sachsen-Monitor 2018.3 Die Chemnitzer Bürgerumfrage ist die erste kommunale Bürgerumfrage in Chemnitz. Es gibt also nicht die Möglichkeit, die Ergebnisse mit denen der letzten Umfrage zu vergleichen. Die Umfrage wurde unter BürgerInnen zwischen 18 und 85 Jahren durchgeführt. Es ergibt sich eine Ausschöpfungsquote von 45%. Die Teilnehmenden wurden mit einer Zufallsstichprobe ausgewählt. Teilgenommen haben 1,3 % der berücksichtigten Bevölkerungsgruppe. Die Ausschöpfungsquote der Umfrage ist ähnlich hoch wie die in Leipzig (43,1%) und Dresden (36,1%), wo auch Bürgerumfragen durchgeführt wurden. Durch den unterschiedlich großen Rücklauf in den Alters- und Geschlechtergruppen mussten die Ergebnisse vor der Auswertung gewichtet werden. Durchgeführt wurde die Befragung zwischen April und Juni 2018.4

Für den Sachsen-Monitor wurden die TeilnehmerInnen per Zufallsauswahl ausgesucht. Insgesamt wurden 1011 Personen über 18 Jahren befragt. Zwischen dem 18. Juni 2018 und dem 23. August 2018 führten geschulte InterviewerInnen die Befragung durch.

Der Sachsen-Monitor wird jedes Jahr durchgeführt. So lassen sich auch Vergleiche bzw. Änderungen der Meinung der sächsischen Bevölkerung feststellen.

Auch beim Sachsen-Monitor mussten die verschiedenen Alters-, Geschlechts- und Bildungsgruppen gewichtet werden.5 Beide Umfragen fanden kurz vor den Ereignissen im August 2018 in Chemnitz statt.

Vorgehensweise

Die beiden Ergebnisberichte wurden diachronisch miteinander verglichen, wobei sich das Hauptaugenmerk auf die Stadt Chemnitz richtete. Durch die Einbeziehung des Sachsen-Monitors konnten die Ergebnisse der Bürgerumfrage in Chemnitz in den sächsischen Kontext gesetzt werden. Ziel des diachronischen Vergleiches ist es, zu untersuchen, wie das Lebensgefühl der ChemnitzerInnen sich zu dem in ganz Sachsen verhält und ob Unterschiede zu den anderen beiden Großstädten, Leipzig und Dresden beziehungsweise zu kleineren Orten festgestellt werden können. Da gezielt der Frage nachgegangen wurde, ob sich das Lebensgefühl der ChemnitzerInnen vom Lebensgefühl der SachsInnen im allgemeinen unterscheidet, wurden nur die Unterpunkte ,,Lebenszufriedenheit und Zukunftserwartung“, ,,Lebensbedingung und Infrastruktur in der Stadt und ,,Sicherheit und Ordnung“ der Bürgerumfrage Chemnitz, berücksichtigt.

Ergebnisse

Ausgehend von den beiden zugrundeliegenden Umfragen lässt sich feststellen, dass das Lebensgefühl der ChemnitzerInnen zu dem in ganz Sachsen nicht signifikant schlechter ist. Im Vergleich zu den Sachsen/Sächsinnen, die in den Bezirken Leipzig und Dresden leben sind die ChemnitzerInnen jedoch eindeutig unzufriedener. Diese Unzufriedenheit ist auf keinen Fall nur auf die jüngeren Zuwanderungen zurückzuführen. Es gibt andere Ursachen, wie den Zustand der Straßen, viele Baustellen und die ärztliche Versorgung, die der Stadt Probleme machen und Unzufriedenheit in den ChemnitzerInnen auslösen.

Abbildung 1: Problemfelder nach Anzahl der Nennungen, Ergebnisbericht zur kommunalen Bürgerumfrage für Chemnitz 2018, S. 10.

Eine steigende Kriminalitätsrate in der Vergangenheit, die inzwischen langst rückläufig ist, hat in den ChemnitzerInnen ein vergleichsweise starkes Unsicherheitsgefühl verursacht, das immer noch anhält. Ein entscheidender Grund für die deutlich höhere Unzufriedenheit konnte aber auch in den mangelnden Perspektiven zu einer finanziellen Besserstellung liegen. Bei der Betrachtung der Ereignisse vom August 2018 sollte man nicht vergessen, dass damals nicht ganz Chemnitz auf die Straße gegangen ist. Es gibt eine Minderheit in Chemnitz, die sehr unzufrieden ist. Diese Minderheit ist es vermutlich auch gewesen, die sich den teilweise rechtsextremistischen Demonstrationen angeschlossen hat. Die Chemnitzer Bürgerbefragung liefert demgegenüber ein repräsentatives Bild der Stimmung in Chemnitz.


Autorin: Katharina Schneider

Redaktion: Julia Tuncel

Literaturverzeichnis

dimap (2018): Sachsen-Monitor2018 Ergebnisbericht

Freie Presse (2019): Einwohnerzahl van Chemnitz erneut gestiegen;

https://www.freiepresse.de/chemnitz/einwohnerzahl-von-chemnitz-erneut-gestiegenartikell0416358

Hilscher, T. (2019): Arztemangel! Ein dramatischer Mediziner-Appell an Sachsens Regierung; 1

https://www.tag24.de/nachrichten/dresden-dramatischer-mediziner-appell-an-sachsens-regierungein-drittel-aller-hausaerzte-geht-in-rente-1012927

Stadt Chemnitz (2019): Kommunale Burgerumfrage 2018 Ergebnisbericht

Uhlig, S. (2018): Dokumentation einer Round Table Discussion, organisiert von der Chemnitzer Freien Presse, erschienen in der Chemnitzer Freien Presse am 6. Oktober 2018

1 Uhlig, 2018

2 Bürgerumfrage

3 Sachsen-Monitor

4 Bürgerumfrage

5 Sachsen-Monitor