Sarotti-M: Alltagsrassismus oder Kulturgut?

– am Beispiel des Mannheimer Kulturzentrums Capitol –

Die gesellschaftliche Debatte rund um den Begriff „Mohr“ (im weiteren Verlauf als M-Wort bezeichnet, um den Rassismus des Wortes nicht stetig zu reproduzieren) entspinnt sich entlang zweier Argumentationslinien: Das M-Wort sei ein neutraler, harmloser Begriff und deren Verwendung, wie in „M-köpfe“ oder “M-Apotheke“, Teil des ‚Kulturguts‘ oder aber ein kolonial-rassistischer Begriff, der als Fremdzuschreibung schon immer mit der Abwertung ‚des Anderen‘ einhergehe.

Die Diskussion über das kolonial-rassistische Symbol des „Sarotti-M‘s“ ist im Hintergrund immer vorhanden, im öffentlichen Diskus jedoch nicht sichtbar, da häufig kein Problembewusstsein über Alltags-/ Rassismus herrscht. Zwei Sarotti-Figuren über der Theke im Foyer des Mannheimer Kulturzentrums Capitol, welche die politische Korrektheit in Frage stellen, sind der Grund, weshalb die Diskussion erneut stärker in den öffentlichen Fokus gerückt ist. Bei einer Veranstaltung zum Thema Alltagsrassismus reagierten Gäste empört auf diese Dekoration, sodass eine Debatte über den Verbleib der Figuren entstand. Das Capitol ist eine Spielstätte, welche in den 20er Jahren als Lichtspielhaus errichtet wurde. Später wurde es zu einem Veranstaltungsort von Konzerten oder anderen Bühnenaufführungen.

Einige werden durch die Figur „Sarotti-M“ an ihre Kindheit oder Schokolade erinnert. Andere sehen in der im Diener-Habitus dargestellten Figur mit orientalischen Kleidern jedoch die Reproduktion rassistischer Stereotype und eine Verharmlosung der Gewaltverbrechen gegenüber . Gegner_innen der Debatte um Sarotti kritisieren, dass es sich hierbei um eine krankhafte politische Korrektheit handelt, da das Firmenlogo der „Drei-M-Mischung“ bereits im Jahr 1918 bekannt gegeben wurde und mittlerweile einen Kultwert innehätte. Allerdings entstanden schon um die 21. Jahrhundertwende öffentlich-kritische Diskussionen gegenüber dem Markenzeichen, sodass es 2004 schließlich neu designt wurde. Anstatt eines Tabletts oder einer Fahne in der Hand greift die Figur, nun mit goldener Haut abgebildet, auf einer Mondsichel nach den Sternen. Aus dem Sarotti-M wurde der Sarotti-Magier.

Der Sarotti-Magier (Foto von Julia Tuncel/ Anzeige, da Markenname ersichtlich wird)

Der Schokoladenhersteller der Sarotti-Schokolade wehrt sich gegen die rassistischen Vorwürfe

Eine kolonial-rassistische Interpretation der Figur Sarottis weist der Produzent der Schokolade vehement zurück. Laut der Unternehmenssprecherin sei das M-Wort ein neutrales Wort und habe keine negative Konnotation. In einem Statement des Unternehmens heißt es weiterhin: „Aus unserer Sicht gibt es keine Veranlassung, die Marke Sarotti in diese fragwürdige Interpretation zu bringen.“1 Der Sprachwissenschaftler und Direktor des Instituts für Deutsche Sprache (IDS) Henning Lobin bewertet den Begriff des M-Wortes jedoch anders. Seiner Meinung nach habe sich das Wort ab dem 19. Jahrhundert von einem neutralen, hin zu einem eher abwertend verwendeten Begriff entwickelt. Er sagt: „Das kann man zum einen daran erkennen, dass das Adjektiv, das in Textkorpora am häufigsten mit „Mohr“ kombiniert wird, „kohlpechrabenschwarz“ lautet, zum anderen an der Tatsache, dass es heute offensichtlich andere, neutralere Wörter zur Bezeichnung schwarzer Menschen gibt.“2 Maria Ketzmerick, eine Konfliktforscherin aus Marburg, unterstreicht die Aussage Lobins. Ihrer Auffassung nach würden die betreffenden Menschen mit diesem Wort auf eine Art und Weise „verniedlicht“ oder „verkindlicht“ werden. Jedoch können die kolonialen Erinnerungen voller brutaler Ausbeutung, Massensklaverei oder Diskriminierung unter keinen Umständen durch eine Verniedlichung verharmlost werden.3

Das Mannheimer Kulturzentrum Capitol will die Figuren dennoch hängen lassen

Nach mehrmaligen Veranstaltungen mit 700 Teilnehmer_innen zum Thema „Kein Platz für Rassismus“ entschied sich das Kulturzentrum dazu, die Sarotti-M Embleme nicht zu entfernen. Dazu heißt es: „Ihre Haltung wird aber verändert. Sie soll zum Symbol für unseren Wunsch werden, mit unseren Gästen dauerhaft im Gespräch zu bleiben. […] Eine Irritation des Betrachters ist hier gewünscht und beabsichtigt, diese soll den Dialog anregen“.4 Kritiker_innen sehen in dieser Entscheidung eine falsche Herangehensweise an die Problematik und eine Reproduktion von Rassismus. Das Antidiskriminierungsbüro von Mannheim sieht die Sarotti-Dekoration im Capitol ebenfalls als ein inakzeptables „Paradebeispiel von wiederkehrender Alltagsdiskriminierung“ an.5

Ähnliche Debatten wie in Mannheim gab es auch in anderen Orten wie beispielsweise Frankfurt, wo der Ausländerbeirat gebeten hatte, zwei „M-Apotheken“ umbenennen zu lassen. Diese Forderung scheiterte jedoch.

Das Problem des Alltagsrassismus ist in Deutschland stets allgegenwärtig. Der Sarotti-M ist ein Beispiel für kritisch-reflexive Diskussionen über kolonial-rassistische Embleme. Die Debatte um kolonial-rassistische Symbole oder Begriffe ist noch lange nicht abgeschlossen. Henning Lobin plädiert: „Die meisten Menschen wollen andere nicht beleidigen. Dann sollte man Begriffe wählen, die das auch nicht tun“.6


Autorin: Zeran Osman

Redaktion: Julia Tuncel

1 Focus online: „Sarotti-Mohr“ im Kreuzfeuer: In Mannheim entbrennt jetzt aufgeladene Debatte. URL: https://www.focus.de/politik/deutschland/mannheimer-kulturzentrum-sarotti-mohr-im-kreuzfeuer-emotionale-debatte-um-alltagsrassismus_id_10566913.html, Zugriff: 13.09.2019.

2 Spiegel online: Rassismusdebatte in KulturzentrumDer Sarotti-Streit von Mannheim, 09.04.2019, URL: https://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/mannheim-sarotti-streit-rassismusdebatte-um-kulturzentrum-a-1262068.html, Zugriff: 13.09.2019.

3 Vgl.: Reinhard Mohr: Streit um „Sarotti-Mohr“ – Ich fühle mich diskriminiert, 11.04.2019, URL: https://www.welt.de/debatte/kommentare/article191758377/Rassismus-Debatte-Streit-um-Sarotti-Mohr-Ich-fuehle-mich-diskriminiert.html , Zugriff: 13.09.2019.

4 RP online: Debatte um Alltagsrassismus:Der „Sarotti-Mohr“ steht mal wieder im Kreuzfeuer, 09.04.2019, URL: https://rp-online.de/panorama/deutschland/mannheim-der-sarotti-mohr-im-capitol-steht-im-kreuzfeuer_aid-37995477, Zugriff: 13.09.2019.

5 Spiegel online: Rassismusdebatte in KulturzentrumDer Sarotti-Streit von Mannheim, 09.04.2019, URL: https://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/mannheim-sarotti-streit-rassismusdebatte-um-kulturzentrum-a-1262068.html, Zugriff: 13.09.2019.

6 SWR aktuell: WERBEFIGUREN IM KULTURZENTRUM CAPITOL“Sarotti-Mohr“ in Mannheim entfacht hitzige Debatte, 12.04.2019, URL: https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/mannheim/Werbefiguren-im-Kulturzentrum-Sarotti-Mohr-in-Mannheim-entfacht-hitzige-Debatte,sarotti-mohr-im-capitol-mannheim-100.html, Zugriff: 13.09.2019.