Kolonialer Einrichtungsstil – eine kritische Betrachtung

Der sogenannte „Kolonialstil“ bezeichnet den historischen Baustil der Bauten der EuropäerInnen, die sie in ihren ehemaligen Kolonien bauten oder bauen ließen. Dieser Stil wird heute in vielen Möbelhäu­sern unter dem Trend des “Colonial Chic-Stils“ beworben und verkauft. Dass Deutschland einmal Kolonien in Afrika besessen hat und diese Zeit von Unterdrückung, Ausbeutung, Sklaverei und Machtspielen geprägt war, scheint in diesem Zusammenhang in den Hintergrund zu rücken. Die Folgen der Kolonialzeit reichen bis in die Gegenwart. Viele postkoloniale afrikanische Länder leiden unter instabilen Regierungen oder einer schwachen Wirtschaft. Geschichtlich betrachtet sind diese Staaten durch Fremdherrschaft entstandene Gebilde, welche dem Staatsmodell der Ko­lonialherren mit Justiz, Bürokratie, Landeswährung und einheitlichem Gebiet folgen. Die einheimi­sche Bevölkerung war vor der Kolonialzeit jedoch eine andere Form der Gesellschaftsorganisation gewohnt, sodass vor allem in ländlichen und ärmeren Regionen eine Skepsis gegenüber dem west­lichen Staatsmodell bestand und diese bis heute anhält. Durch die heutige, teilweise fehlende Loyalität gegenüber den afrikanischen Regierungen entstehen Konflikte und Probleme innerhalb der Bevölkerung.

Der Online-Anbieter Massivum missachtet die kolonialen Folgen in seinen Werbeslogans und Be­schreibungen: „Die Kombination der einheimischen Materialien und edlen Hölzer mit dem histo­risch herrschaftlichen Stil der Europäer ist prägend für Kolonialmöbel. Charakteristisch ist dabei die Affinität zu edlen Hölzern und hochwertigen Materialien, die kostbar verziert und handwerk­lich aufwendig verarbeitet werden. Die Einrichtungsmöglichkeiten des Kolonialstils sind vielfäl­tig.“1 oder „Etwas farbiger und wilder darf es beim afrikanischen Wohnstil zugehen. Hier sind auch Tierprints und buntere Farbigkeit, wie etwa eine Wandfarbe in Smaragdgrün erlaubt. Cha­rakteristisch für diesen Stil sind einladende Sofas mit exotischem Bananengeflecht oder natürli­chen Rattan.“2 Aufgrund des zuvor Beschriebenen erscheinen Aussagen wie diese und Wörter wie „herrschaftlich“ oder „farbiger und wilder“ äußerst unangebracht.

Bei der Online-Suche nach dem Begriff der Kolonialmöbel zeigt allein die erste Seite etliche Namen von unterschiedlichen Webseiten an, die kritisch zu betrachten sind. Beispiele hierfür sind kolonialmoebel24.de oder kolonial-living.com. Nicht die Möbelstücke und Dekorationsartikel an sich sind hierbei das Problem, sondern vielmehr die Instrumentalisierung eines historisch negativ konnotierten Begriffs zum Zweck der Vermarktung und Bewerbung des Verkaufs von Möbelstücken. Hiermit erhält der Begriff „Kolonialzeit“ und die damit verbundene Kolonialisierung außereuropäischer Länder durch die EuropäerInnen eine Positivierung, die in Hinblick auf die damit einhergehenden Menschenrechtsverletzungen nicht vertretbar ist. Auch bekannte, große Möbelhäuser wie Otto oder das Dänische Bettenlager (Serie: „Cuba – Wagen Sie den großen Auftritt im zeitlosen Kolonialstil“)3 bieten Möbel in diesem Stil an. Nur wenige Möbelanbieter distanzieren sich von der Bewerbung und dem Verkauf kolonial-inspirierter Möbel, da besonders aktuell der bereits erwähnte “Colonial Chic-Stil“ im Trend liegt und somit ein hoher Gewinn erwirtschaftet werden kann.

Es wird deutlich, dass in vielen Möbelhäusern eine unkritische und äußerst fragwürdige Auseinandersetzung mit dem Kolonialismus stattzufinden scheint. Die Kolonialherrschaft, Ausbeutung, Plünderung und Raubkunst werden verherrlicht und als trendig betitelt. Ganze Kontinente werden einem Kulturbegriff zugeordnet; schon ein dekorativer Elefantenkopf aus Holz repräsentiert den gesamten afrikanischen Kontinent. Alles jenseits von Europa wird dabei als „exotisch“ inszeniert und imaginiert. Die Botschaften der Werbungen vermitteln das pri­vilegierte Gefühl, sich mit Geld eine Kultur kaufen zu können, beziehungsweise das Gefühl der Er­mächtigung über diese Kultur.

Es ist äußerst notwendig, dass beim Lesen der Werbungen bei KundInnen eine Rückbesinnung auf die Kolonialverbrechen und auch in den Köpfen der Werbetreibenden ein Umdenken stattfindet. Die Verschönerung des kolonialen Zeitalters darf im 21. Jahrhundert nicht toleriert werden.


Autorin: Tuncel Julia 

1 https://www.massivum.de/wohnstile/kolonial, (Abgerufen am 03.11.2019).

2 ebd.

3 https://www.daenischesbettenlager.de/inspiration/serien/cuba, (Abgerufen am 03.11.2019).