Die diesjährige »International Open Access Week« (IOAW) steht unter dem eindringlich formulierten Motto „Open with Purpose: Taking Action to Build Structural Equity and Inclusion“, welches die politischen und sozialen Implikationen von Open Science unterstreicht und die Philosophie hinter dem Begriff „Openness“ als Wertekosmos in den Mittelpunkt rückt.
Gleichzeitig findet die IOAW 2020 aber auch unter dem Eindruck der Corona-Pandemie statt, welche die Weltgemeinschaft seit Beginn des Jahres vor immer neue Herausforderungen und das Leben und Arbeiten der Menschen auf den Kopf stellt.
Beide Aspekte standen bei der Ausgestaltung der IOAW 2020 durch das Open-Science-Team der Universitätsbibliothek Chemnitz im Mittelpunkt. Gemeinsam mit renommierten Fachleuten und unseren Nutzerinnen und Nutzern haben wir nicht nur die Möglichkeiten zur Schaffung von Inklusion und Gerechtigkeit mithilfe von Open Science sowie die Relevanz offener Wissenschaft in Zeiten einer Pandemie erörtern können. In spannenden Vorträgen, angeregten Diskussionsrunden, bei einer kurzweiligen Open-Science-Sprechstunde und in informativen Blogbeiträgen wurde auch die ganze Themenpalette von offener Wissenschaft ergründet und in den sozialen Medien kommentiert. Der Startschuss fiel am Montag, den 19.10., mit einem Minisymposium zum Thema Open Science.
Im ersten Vortrag des Symposiums bot Prof. Dr. Meike Breuer, Inhaberin des Lehrstuhls zur „Fachdidaktik Sport und Bewegungserziehung“ und Direktorin des Zentrums für Lehrerbildung an der TU Chemnitz, mit ihrem Bericht einen spannenden Einblick in die Wahrnehmung und die Erfahrungen mit dem Publizieren im Open Access in den Geisteswissenschaften. Frau Prof. Breuer wog positive Aspekte (z.B. den verbesserten Zugang zu Wissen durch OA) und existierende Hürden (z.B. einen Bias zugunsten der STM-Fächer bei der Verhandlung der Big DEALs) ab, sprach brachliegende Potentiale an (Förderung von Open-Access-Monographien) und plädierte für eine generelle Förderung von Open Access für alle Akteure.
Im zweiten Vortrag des Tages sprach Prof. Dr. Frank J. Müller von der Universität Bremen über die Chancen, welche Open Educational Resources (OER), frei zugängliche und für alle nachnutzbare Lehrmaterialien, für die Schaffung inklusiver Zugänge zur Hochschullehre bieten und warum solche Materialien für alle Fächer einen Mehrwert darstellen.
Prof. Müller ging dabei besonders der Frage nach maximaler Nachnutzung selbst erstellter, qualitätvoller Bildungsinhalte nach. Neben der theoretischen Erörterung der Relevanz von Barrierefreiheit und Universal Design für Inklusion und Zugang für alle ging er auch auf praxisnahe Fragen rund um die richtigen CC-Lizenzen und die Beantragung von Fördergeldern ein.
(Die Folien zum Vortrag finden Sie hier.)
Dirk Pieper, stellvertretender Bibliotheksdirektor der Universitätsbibliothek Bielefeld und kommissarischer Leiter des Nationalen Open-Access-Kontaktpunktes OA2020-DE, sprach im dritten Vortrag über die Transformation des wissenschaftlichen Publikationswesens hin zu Open Access und den Stand dieses Prozesses in Deutschland. Neben Zahlen und Statistiken zur Illustration des bisher Erreichten berichtete er auch über die Arbeit des Kontaktpunktes, bot einen Überblick über Förderer (DFG; BMBF) und Infrastrukturprojekte, welche diesen Prozess begleiten (z.B. Open-Access-Monitor; OpenAPC) und sprach über einige jüngere Open-Access-Geschäftsmodelle, welche die Transformation voranbringen sollen („Subscribe to Open“). Ein Ausblick auf zukünftige Aufgaben (z.B. eine gesamtdeutsche Open-Access-Strategie) rundete den Vortrag ab.
(Die Folien zum Vortrag finden Sie hier.)
Dr. Stefan Schmeja, promovierter Astrophysiker und Open-Science-Experte der Technischen Informationsbibliothek in Hannover (TIB), stellte im letzten Vortrag des Symposiums schließlich die Frage nach der Relevanz von Open Science am Beispiel der Informationssituation während einer Pandemie. Vom Bedarf der Medizin nach schnellstmöglichem, hindernisfreiem Zugang zu neuester Forschung spannte er den Bogen über die Medizin hinaus. Dr. Schmeja illustrierte, wie Ressourcen, die nicht hinter Paywalls versteckt werden, in Zeiten von Home Office und beschränktem Bibliothekszugang besonders deutlich machen, welche Chance im Open Access erschienene, nachnutzbare Publikationen für die Wissenschaft bieten und warum freier Zugang nicht gleich Open Access ist. An den Beispielen von Preprints, Open Peer Review und Open Data verdeutlichte er, warum offene Wissenschaft in ihrer Gesamtheit für Fortschritt, Transparenz und Inklusion steht und warum Open Science für die Bewältigung der großen Zukunftsaufgaben ein nicht zu unterschätzendes Werkzeug darstellt.
(Die Folien zum Vortrag finden Sie hier.)
Am Mittwoch, den 21.10. lud das Open-Science-Team schließlich unter dem Motto „Talk to us: Sprechen wir über Open Science“ zur virtuellen Sprechstunde ein. Von 11 Uhr bis 12 Uhr konnten dem Team alle Fragen rund um Open Science gestellt werden. Neben Fragen zur Finanzierung von Open-Access-Gebühren mithilfe des Publikationsfonds wurden auch die großen Fragen angesprochen und rege diskutiert: Welchen Mehrwert liefert die Arbeit renommierter Verlage über ihren großen Namen und einen hohen Impact hinaus für eine Publikation? Rechtfertigt der Reputationsgewinn besonders hohe Open-Access-Gebühren? Sind die wissenschaftliche Qualität und die Sichtbarkeit von Open-Access-Publikationen, die sich absichtlich und konsequent den Zwängen des traditionellen Publikationssystems entziehen geringer oder ist ihre Verbreitung gar größer, weil sie nicht hinter teuren Paywalls liegen und durch Creative-Commons-Lizenzen eine größtmögliche Reichweite und Nachnutzung erfahren? Diese und andere Fragen wurden von den Teilnehmer*innen lebhaft diskutiert. Der Wunsch nach weiteren Veranstaltungen dieser Art, z.B. Podiumsdiskussionen zum Thema, wurde betont und in die Vorschlagsliste für die IOAW 2021 aufgenommen.
Verschiedene Blogbeiträge zum neuen Beratungsangebot der Universitätsbibliothek, zum Open-Access-Publizieren, zur Bedeutung von Open Educational Ressources und zu offener Software rundeten das Informationsangebot zur »International Open Access Week« ab.
Das Open-Science-Team der UB Chemnitz bedankt sich bei allen Mitstreiter*innen und Vortragenden für eine gelungene »International Open Access Week«. Unser besonderer Dank gilt allen Interessierten, die sich die Zeit genommen haben, unsere virtuellen Veranstaltungen zu besuchen, den Vorträgen zuzuhören, Fragen zu stellen, mitzudiskutieren, unsere Blogeinträge zu lesen und unser Social-Media-Angebot zu nutzen.
Feedback, Kritik, Fragen oder Anregungen (z.B. auch für Inhalte zur IOAW 2021) nehmen wir jederzeit gern entgegen. Bitte kontaktieren Sie uns persönlich oder unter: os@bibliothek.tu-chemnitz.de
Ihr Open-Science-Team:
Carolin Ahnert
Ute Blumtritt
Anja Hähle
Martina Jackenkroll
Christian Schmidt
Danke für diesen tollen Blog. War sehr interessant zu lesen.