Hello everybody out there using minix – I’m doing a (free) operating system …
Mit diesen Worten kündigte Linus Torvalds vor 20 Jahren (am 26. August 1991) seine Arbeiten an einem freien Betriebssystem für 386er AT-Clones an, dessen Name LINUX so von Torvalds gar nicht vorgesehen war. Grund genug, einmal unsere IT-Landschaft aus diesem Blickwinkel zu betrachten. Für die Analyse haben wir einen Spezialisten engagiert.
Aber lesen Sie selbst:
Hallo, meine Name ist Tux. Man hat mich beauftragt, die IT-Umgebung des Universitätsrechenzentrums auf das Vorkommen der Betriebssystemspezies LINUX zu untersuchen.
Öffentliche Ausbildungspools
Ausgestattet mit einem Account aus dem Nutzerservice – Loginkennzeichen: tux
– mische ich mich unter die Studentenschar und besuche zunächst einen der Ausbildungspools am Campus. Mit dem installierten Scientific Linux
fühle ich mich gleich vertraut. Im Menü der Anwendungen treffe ich alte Freunde aus der Open-Source-Gemeinde: Firefox
und Thunderbird
.
Neben den distributionstypischen Anwendungen befinden sich noch eine Vielzahl kleinerer Tools und mächtiger Killerapplikationen auf den Arbeitsplätzen. Aus der ersten Kategorie gefällt mir besonders das Wörterbuch Ding
aus der Feder (nein, besser Tastatur) eines URZ-Mitarbeiters. Auf meiner Erkundungstour finde ich noch weitere interessante Anwendungen, welche direkt durch das URZ bereitgestellt werden. Softwareentwickler freuen sich sicher über den QT Creator
und für wissenschaftliche Berechnungen sind GNU Octave
, Maple
, Mathematica
, und Matlab
verfügbar. Mit Ansys
steht den Ingenieuren der Mechanik und Thermodynamik ein Werkzeug zum Lösen linearer und nichtlinearer Probleme zur Verfügung. Der ambitionierte Fotograf setzt seine Bilder mit Hugin
zu einem Panorama zusammen und nebenbei spielt der VLC Media Player
den mit Blender
erstellten Kurzfilm Big Buck Bunny. Natürlich stecken in der Linux-Distribution noch viel, viel mehr Anwendungen. Nennen möchte ich da die Bildbearbeitungssoftware GIMP
und dessen Pendant Inkscape
für Vektorgrafiken. Meinen Bericht verfasse ich übrigens gerade mit OpenOffice.org
. Mein Tipp: gehen Sie doch selbst einmal auf Entdeckungsreise.
Server und Infrastruktur
Zu den Aufgaben eines Rechenzentrums zählt natürlich auch der Betrieb einer IT-Infrastruktur – Server, Managementstation, Überwachung der Dienste und dergleichen. Ich will mehr wissen, welche Dienste, wieviele Systeme und wer baut den Kernel. Dazu treffe ich mich zu einem Interview mit dem Leiter der Arbeitsgruppe System Matthias Clauß:
Tux: Matthias, wann kam die Idee, LINUX im URZ einzusetzen und wie fing alles an?
Matthias: Linux wurde erstmals in unserer Uni bei einem UNIX-Stammtisch im Januar 1992 unter dem Vortragstitel Betriebssystem-Baustelle Linux vorgestellt. Die Referenten waren Prof. Uwe Hübner und Birko Bergt, ein Assistent seiner Forschungsgruppe. Damals war allerdings kaum zu ahnen, wie rasant die Entwicklung von Linux in den darauf folgenden Jahren vonstatten ging und welche Bedeutung das Betriebssystem erlangen sollte. Einige Monate später wurden dann im URZ einige Linux-PCs zum Laufen gebracht, zunächst um zu ergründen, ob sich Linux für spezielle Serverdienste eignet. Zu dieser Zeit wurde auch ein Linux-Referenz-PC in einem Poolraum zur öffentlichen Nutzung bereitgestellt. Zu dieser Zeit orientierten wir im URZ auf den Einsatz von RISC-Workstations (SUN, HP, IBM, DEC) mit dem jeweiligen UNIX-Derivat. Die Intel-PC-Architektur wollten wir damals möglichst meiden, natürlich auch das damit verknüpfte Microsoft-BS.
Tux: Kannst Du Dich noch an den ersten Linux-Server erinnern?
Matthias: Ich bin mir nicht mehr sicher, für welchen Zweck der erste Linux-Server in Produktion ging, da wir kurz aufeinander folgend mehrere dedizierte Systeme in Betrieb nahmen: Ein WWW-Cache-Server (squid), ein Samba-Server sowie ein Linux-Computeserver wurde im Herbst 1996 nahezu gleichzeitig in Betrieb genommen. Im darauf folgenden Jahr installierten wir zwei Ausbildungspools in der Reichenhainer Straße, wobei die PCs sowohl unter Linux als auch unter Windows genutzt werden konnten.
Tux: Wieviele Linux-Server dirigierst Du heute?
Matthias: Im Gegensatz zu vielen anderen Einrichtungen setzen wir Linux nicht nur im Serverbereich, sondern auch im Desktop-Bereich, d.h. als Arbeitsplatz und in der Ausbildung ein. So werden durch das Linux-Team des URZ aktuell ca. 210 dedizierte Linux-Server betreut, aber auch über ca. 770 Arbeitsplatz- und Ausbildunspoolsysteme.
Tux: Was für Dienste erbringen diese?
Matthias: Die Palette der Dienste, die auf Linux-Servern basieren, ist sehr breit gefächert und kann hier auch nicht annähernd vollständig aufgelistet werden. Natürlich spielen Netzdienste eine große Rolle, z.B. Web, Mai-, DNS, LDAP, VOIP-Telefonie, um nur einige zu nennen. Compute-Server für rechenintensive Anwendungen laufen unter Linux, aber auch Datenbank- und File-Server. Für den Nutzer eher unsichtbar, aber trotzdem wichtig sind weiterhin Netzwerk- und Systemmanagement und die Überwachung der Dienste und IT-Systeme. Aber die Bandbreite geht viel weiter: Linux-Server werden für die Benutzerverwaltung, die Prozesse der Universitäts- und Bibliotheksverwaltung sowie in der Ausbildung und beim E-Learning eingesetzt.
Kurzum: eine funktionierende Universität ist ohne Linux-Server und -Systeme praktisch nicht vorstellbar.
Tux: Welche Gründe gab es, sich für die Distribution Scientific Linux zu entscheiden?
Matthias: Bereits in den Anfangsjahren von Linux existierten verschiedene Linux-Distributionen und wir hatten die Qual der Wahl. Nach einigen Experimenten orientierten wir auf Red Hat Linux, damals noch kostenfrei per ftp herunterladbar. Mit der Kommerzialisierung von Red Hat Linux einige Jahre später mussten wir uns neu orientieren. Einerseits waren wir von der Stabilität, Zuverlässigkeit und der Qualität von Red Hat Linux überzeugt, andererseits waren die Lizenzkosten unerschwinglich, zumal wir zu diesem Zeitpunkt in der Uni bereits über 1000 Linux-Systeme betreuten. Wegen der GPL Lizenzierung ist es möglich, zu Red Hat Enterprise Linux (RHEL) kompatible Distributionen zu entwickeln. Besonders interessant erschien uns die Distribution Scientific Linux, die insbesondere von Entwicklern am Fermilab, am CERN, der ETH Zürich und dem DESY gepflegt wird. Scientific Linux vereint die Vorzüge von RHEL, z.B. lange Supportzyklen mit der Unterstützung von Software-Paketen, die für wissenschaftliche Einrichtungen wie die TU Chemnitz bedeutsam sind.
Tux: Baut Ihr den Kernel selbst?
Matthias: In den Anfangszeiten war es durchaus üblich, den Kernel aus den Quellen jeweils neu zu bauen. Das ist schon seit einigen Jahren nicht mehr notwendig. Allerdings sind die personellen Aufwendungen für das Bereitstellen und Einspielen neuer Kernversionen bzw. das Update auf neue Distrubutionsreleases (sowie das tägliche Software-Update selbst) trotz der weitgehenden Automatisierung nicht zu unterschätzen.
Tux: Was wünscht Du Dir für die nächsten 20 Jahre?
Matthias: Obwohl ich im Rahmen meiner beruflichen Tätigkeit die Entwicklung und Nutzung von Betriebssystemen von klassischen Computersystemen schon fast vier Jahrzehnte verfolgt habe, fällt es mir ausgesprochen schwer, Vorhersagen zu treffen, wie sich dieser Bereich in den nächsten 10 oder 20 Jahren entwickeln könnte. Vielleicht ist dann der klassische PC weitgehend ausgestorben? Zumindest denke ich, dass er bei weitem nicht eine solch dominierende Rolle spielen wird, wie das gegenwärtig noch der Fall ist. Die Fähigkeiten moderner Generationen von Smartphones und Tablet-PCs und deren rasante Verbreitung und Durchdringung nahezu aller Lebensbereiche deutet eine mögliche Richtung der zukünftigen Computernutzung an. Im übrigen scheint in diesem Zusammenhang die Zukunft von Linux (Android) langfristig gesichert zu sein.
Was meine Wünschen für die Zukunft betrifft:
Ich wünsche mir, dass Open Source Software und damit auch Linux eine noch größere Bedeutung erlangt, als das bereits gegenwärtig der Fall ist und proprietäre Betriebssysteme (und damit Monopolstellungen einzelner Anbieter) weitgehend von der Bildfläche verschwinden. Aus meiner Sicht könnte das eine wesentliche Voraussetzung dafür sein, dass in zwanzig Jahren praktisch jeder Normalbürger (ohne spezielle Ausbildung) in der Lage ist, die dann verfügbaren Computer für seine Anwendungszwecke gewissermaßen intuitiv zu nutzen.
Tux: Vielen Dank für das Interview.
Auch wenn sich genau genommen das Jubiläum 20 Jahre Linux auf den Kernel bezieht, hat sich mit Linux eine vollwertige Betriebssystem-Plattform unter einer freien Lizenz etabliert.
Nicht nur im Server- und Desktopumfeld des Universitätrechenzentrums ist diese Plattform einfach nicht mehr wegzudenken. Und mit Blick auf embedded Systeme, Netzwerktechnik und Virtualisierungslösungen finden sich immer wieder Verbindungen zum Linux Kernel.
Herzlichen Glückwunsch – zu 20 Jahren Linux!
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